Was ist Sulpirid?
Sulpirid ist ein atypisches Antipsychotikum, das unter dem Handelsnamen Dogmatil bekannt ist. Es gehört zur Gruppe der Benzamide und zeichnet sich durch eine einzigartige dosisabhängige Wirkung aus, die es von anderen Antipsychotika deutlich unterscheidet.
Sulpirid wird seit den 1960er Jahren eingesetzt und hat ein breites Anwendungsspektrum: von der Behandlung von Depressionen in niedriger Dosierung über funktionelle Magen-Darm-Beschwerden bis hin zur Therapie von Schizophrenie in hoher Dosierung. Diese Vielseitigkeit macht Sulpirid zu einem besonderen Medikament in der Psychiatrie.
💡 Das Besondere an Sulpirid - Dosisabhängige Wirkung
Die Wirkung von Sulpirid ändert sich je nach Dosierung grundlegend:
- Niedrige Dosen (50-300 mg/Tag): Antidepressive, aktivierende und stimmungsaufhellende Wirkung
- Mittlere Dosen (300-600 mg/Tag): Regulierung von Magen-Darm-Beschwerden, antiemetische Wirkung
- Hohe Dosen (600-1600 mg/Tag): Antipsychotische Wirkung bei Schizophrenie und Psychosen
Diese dosisabhängige Wirkung ist bei kaum einem anderen Medikament so ausgeprägt!
Wirkungsweise von Sulpirid
Sulpirid ist ein selektiver Dopamin-D2- und D3-Rezeptor-Antagonist. Im Gegensatz zu vielen anderen Antipsychotika wirkt es sehr spezifisch nur auf Dopamin-Rezeptoren und hat kaum Effekte auf andere Neurotransmitter-Systeme.
Wirkmechanismus je nach Dosierung
Niedrige Dosierung (antidepressive Wirkung)
- Blockade präsynaptischer Dopamin-Autorezeptoren: Führt paradoxerweise zu einer Erhöhung der Dopamin-Ausschüttung
- Aktivierung: Mehr Dopamin führt zu antriebssteigernder und stimmungsaufhellender Wirkung
- Motivationssteigerung: Besonders bei gehemmten Depressionen wirksam
Hohe Dosierung (antipsychotische Wirkung)
- Blockade postsynaptischer D2/D3-Rezeptoren: Reduziert übermäßige Dopamin-Aktivität
- Antipsychotischer Effekt: Vermindert Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Denkstörungen
- Limbische Selektivität: Wirkt bevorzugt in emotionalen Gehirnzentren
Besonderheiten der Wirkweise
- Keine Sedierung: Im Gegensatz zu vielen anderen Antipsychotika macht Sulpirid nicht müde
- Kein Einfluss auf andere Neurotransmitter: Keine anticholinerge, antihistaminerge oder alpha-blockierende Wirkung
- Periphere Wirkung: Wirkt auch im Magen-Darm-Trakt (prokinetisch)
Anwendungsgebiete
Aufgrund der dosisabhängigen Wirkung hat Sulpirid verschiedene Anwendungsgebiete:
Niedrige Dosierung (50-300 mg/Tag)
- Depression: Besonders bei gehemmter, antriebsarmer Depression
- Dysthymie: Chronische leichte Verstimmung
- Negativsymptomatik bei Schizophrenie: Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug, Gefühlsverarmung
- Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden: Reizmagen, Übelkeit, Erbrechen
- Schwindel (Vertigo): Besonders bei zentralem Schwindel
Hohe Dosierung (600-1600 mg/Tag)
- Schizophrenie: Akute und chronische Formen
- Akute Psychosen: Mit Halluzinationen und Wahn
- Wahnhafte Störungen
- Manische Episoden: In Kombination mit anderen Medikamenten
Weitere Anwendungen
- Tourette-Syndrom: Zur Reduktion von Tics
- Chronische Schmerzen: In niedriger Dosierung als Begleitmedikation
⚠️ Wichtig: Dosierung entscheidet über Wirkung
Bei Sulpirid ist die Dosierung entscheidend für die Wirkung. Eine Person, die Sulpirid gegen Depression in niedriger Dosis einnimmt, hat eine völlig andere Wirkung als jemand, der es in hoher Dosis gegen Schizophrenie einnimmt. Ändern Sie niemals eigenständig die Dosierung, da sich dadurch die gesamte Wirkungsweise des Medikaments ändert!
Dosierung und Darreichungsformen
Verfügbare Darreichungsformen
| Darreichungsform | Stärken | Besonderheiten |
|---|---|---|
| Kapseln | 50 mg, 200 mg | Standardform für orale Einnahme |
| Tabletten | 200 mg | Alternative zu Kapseln |
| Injektionslösung | 50 mg/ml, 100 mg/2ml | Für akute Situationen, intramuskulär |
Dosierungsrichtlinien nach Indikation
Depression und Negativsymptomatik
- Anfangsdosis: 50 mg 1-2x täglich
- Übliche Dosis: 50-150 mg täglich
- Maximaldosis: Bis 300 mg täglich
- Einnahme: Morgens oder morgens und mittags (aktivierende Wirkung)
Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden und Schwindel
- Übliche Dosis: 50-150 mg täglich
- Einnahme: Vor den Mahlzeiten
Schizophrenie und Psychosen
- Anfangsdosis: 200-400 mg täglich
- Steigerung: Schrittweise bis zur wirksamen Dosis
- Übliche Dosis: 600-1000 mg täglich
- Maximaldosis: 1600 mg täglich (in Ausnahmefällen bis 2400 mg)
- Verteilung: 2-3x täglich
Spezielle Dosierungen
- Ältere Patienten: Beginn mit niedriger Dosis (25-50 mg), vorsichtige Steigerung
- Niereninsuffizienz: Dosisreduktion notwendig (Sulpirid wird renal ausgeschieden)
- Injektionen: 100-200 mg intramuskulär bei akuten Zuständen, 1-2x täglich
💡 Einnahme-Tipps für unterschiedliche Dosierungen
Niedrige Dosis (antidepressiv):
- Morgens einnehmen (aktivierende Wirkung)
- Nicht abends (kann Schlafstörungen verursachen)
- Kann zu den Mahlzeiten eingenommen werden
Hohe Dosis (antipsychotisch):
- Gleichmäßig über den Tag verteilen (z.B. morgens, mittags, abends)
- Zu oder nach den Mahlzeiten (bessere Verträglichkeit)
- Regelmäßige Einnahmezeiten einhalten
Wirkungseintritt und Wirkdauer
- Aktivierende Wirkung (niedrige Dosis): Nach wenigen Tagen bis 1-2 Wochen spürbar
- Antidepressive Wirkung: Nach 2-4 Wochen vollständig entwickelt
- Antipsychotische Wirkung (hohe Dosis): Nach 1-3 Wochen, volle Wirkung nach 4-6 Wochen
- Wirkung bei Magen-Darm-Beschwerden: Oft innerhalb von Stunden bis Tagen
- Halbwertszeit: 6-8 Stunden (kurz, daher mehrfache tägliche Einnahme nötig)
Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen von Sulpirid sind dosisabhängig und unterscheiden sich je nach Anwendungsgebiet.
Sehr häufige Nebenwirkungen
Hormonelle Nebenwirkungen (Prolaktin-Erhöhung)
Dies ist die häufigste und charakteristischste Nebenwirkung von Sulpirid:
- Bei Frauen: Zyklusstörungen, Ausbleiben der Periode (Amenorrhö), Brustspannen, Milchfluss (Galaktorrhö)
- Bei Männern: Sexuelle Funktionsstörungen (Erektionsstörungen, verminderte Libido), Brustvergrößerung (Gynäkomastie)
- Langfristig: Mögliches erhöhtes Osteoporose-Risiko durch langfristig erhöhtes Prolaktin
⚠️ Prolaktin-Erhöhung besonders stark
Sulpirid erhöht den Prolaktinspiegel stärker als die meisten anderen Antipsychotika. Dies betrifft auch niedrige Dosierungen bei Depression. Wenn Sie Symptome einer Prolaktin-Erhöhung bemerken (Zyklusstörungen, Milchfluss, sexuelle Probleme), informieren Sie unbedingt Ihren Arzt. Oft ist ein Wechsel zu einem anderen Medikament sinnvoll.
Häufige Nebenwirkungen
Bei niedriger Dosierung
- Unruhe: Innere Anspannung
- Schlafstörungen: Besonders bei abendlicher Einnahme
- Nervosität
- Gewichtszunahme: Meist moderat
Bei hoher Dosierung
- Extrapyramidale Symptome: Bewegungsstörungen (seltener als bei Haldol, aber häufiger als bei modernen atypischen Antipsychotika)
- Frühdyskinesien: Muskelkrämpfe, vor allem im Gesicht
- Parkinsonoid: Zittern, Steifheit, verlangsamte Bewegungen
- Akathisie: Quälende innere Unruhe, Bewegungsdrang
- Spätdyskinesien: Bei Langzeitbehandlung möglich
- Gewichtszunahme: Häufig bei höheren Dosen
- Müdigkeit: Bei höheren Dosen trotz fehlender sedierender Wirkung möglich
Weitere häufige Nebenwirkungen
- Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Verstopfung oder Durchfall
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Mundtrockenheit: Weniger ausgeprägt als bei anderen Antipsychotika
Gelegentliche bis seltene Nebenwirkungen
- Blutdrucksenkung: Seltener als bei anderen Antipsychotika
- Herzrhythmusstörungen: QT-Zeit-Verlängerung
- Krampfanfälle: Bei Prädisposition
- Leberwerterhöhungen
- Blutbildveränderungen
- Allergische Reaktionen
Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen
🚨 Sofort ärztliche Hilfe erforderlich bei
- Malignes neuroleptisches Syndrom: Hohes Fieber, Muskelsteifheit, Bewusstseinsstörungen, autonome Dysfunktion - lebensbedrohlich!
- Schweren Herzrhythmusstörungen: Herzrasen, Herzstolpern, Brustschmerzen
- Krampfanfällen
- Schweren allergischen Reaktionen
- Bewusstseinsstörungen
Dosisabhängigkeit der Nebenwirkungen
💡 Nebenwirkungsprofil nach Dosierung
Niedrige Dosis (50-300 mg):
- Hauptproblem: Prolaktin-Erhöhung
- Unruhe, Schlafstörungen
- Kaum extrapyramidale Symptome
- Meist gute Verträglichkeit
Hohe Dosis (600-1600 mg):
- Prolaktin-Erhöhung oft sehr ausgeprägt
- Extrapyramidale Symptome häufiger
- Gewichtszunahme
- Risiko für seltene schwere Nebenwirkungen erhöht
Gegenanzeigen und Vorsichtsmaßnahmen
Absolute Gegenanzeigen (Sulpirid darf nicht eingenommen werden bei)
- Bekannte Überempfindlichkeit gegen Sulpirid
- Prolaktin-abhängige Tumoren (Prolaktinom, Mammakarzinom bei hormonabhängigem Typ)
- Phäochromozytom (Nebennierentumor)
- Porphyrie (seltene Stoffwechselerkrankung)
- Schwere Niereninsuffizienz (Clearance <10 ml/min)
- Kinder unter 18 Jahren (unzureichende Datenlage)
Relative Gegenanzeigen (besondere Vorsicht erforderlich)
- Parkinson-Erkrankung: Kann sich verschlechtern, besonders bei höheren Dosen
- Epilepsie: Kann Krampfschwelle senken
- Niereninsuffizienz: Dosisanpassung notwendig
- Herzerkrankungen: Besonders Herzrhythmusstörungen, QT-Zeit-Verlängerung
- Diabetes: Blutzucker kann ansteigen
- Thrombose-Neigung: Erhöhtes Risiko
- Ältere Patienten: Erhöhtes Sturzrisiko, Verwirrtheit möglich
- Demenz: Erhöhtes Schlaganfall- und Mortalitätsrisiko
Schwangerschaft und Stillzeit
🚨 Schwangerschaft
Sulpirid sollte während der Schwangerschaft nicht eingenommen werden, es sei denn, es ist absolut notwendig. Es liegen keine ausreichenden Daten zur Sicherheit vor. Bei Neugeborenen, deren Mütter Antipsychotika einnahmen, können Entzugssymptome oder Bewegungsstörungen auftreten.
Informieren Sie Ihren Arzt sofort, wenn Sie schwanger sind, schwanger werden möchten oder eine Schwangerschaft nicht ausschließen können. In den meisten Fällen wird ein Wechsel zu einem besser untersuchten Medikament empfohlen.
🚨 Stillzeit
Sulpirid geht in hohen Konzentrationen in die Muttermilch über und kann beim Säugling zu einer starken Prolaktin-Erhöhung führen. Während der Behandlung mit Sulpirid darf nicht gestillt werden. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt Alternativen oder ob abgestillt werden sollte.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Wichtige Wechselwirkungen
- Andere Dopamin-Antagonisten: Andere Antipsychotika, Metoclopramid - verstärkte Wirkung und Nebenwirkungen, besonders Prolaktin-Erhöhung
- Levodopa und Dopamin-Agonisten: Gegenseitige Wirkungsabschwächung - Sulpirid nicht geeignet bei Parkinson-Patienten
- Medikamente, die QT-Zeit verlängern: Bestimmte Antibiotika, Antidepressiva, andere Antipsychotika - erhöhtes Risiko für gefährliche Herzrhythmusstörungen
- Antiarrhythmika: Erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen
- Lithium: Erhöhtes Risiko für neurotoxische Effekte
- Antihypertensiva: Verstärkte blutdrucksenkende Wirkung
- Zentral dämpfende Substanzen: Alkohol, Benzodiazepine, Opioide - obwohl Sulpirid selbst nicht sedierend ist, können Wechselwirkungen auftreten
- Elektrolyt-verändernde Medikamente: Diuretika - können QT-Zeit-Verlängerung verstärken
Alkohol und Sulpirid
⚠️ Alkohol vermeiden
Obwohl Sulpirid nicht sedierend wirkt, sollten Sie während der Behandlung auf Alkohol verzichten. Alkohol kann:
- Die antipsychotische oder antidepressive Wirkung beeinträchtigen
- Das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen
- Zu unvorhersehbaren Wechselwirkungen führen
- Bei Depression die Symptome verstärken
Absetzen von Sulpirid
Sulpirid sollte nicht abrupt abgesetzt werden, obwohl es keine körperliche Abhängigkeit verursacht.
Warum langsames Ausschleichen wichtig ist
- Rebound-Phänomene: Wiederauftreten der Grunderkrankung (Depression oder Psychose)
- Absetzerscheinungen: Unruhe, Schlafstörungen, Übelkeit, Schwitzen, Kopfschmerzen
- Bewegungsstörungen: Können paradoxerweise beim Absetzen auftreten (withdrawal dyskinesia)
- Cholinerger Rebound: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
Ausschleichen von Sulpirid
Das Ausschleichen sollte über mehrere Wochen erfolgen:
Bei niedriger Dosierung (Depression)
- Reduktion um 25-50 mg alle 1-2 Wochen
- Überwachung auf depressive Symptome
- Zeitraum: 2-4 Wochen
Bei hoher Dosierung (Schizophrenie)
- Reduktion um 100-200 mg alle 1-2 Wochen
- Engmaschige Überwachung auf psychotische Symptome
- Zeitraum: 4-12 Wochen oder länger
- Eventuell Umstellung auf Depot-Antipsychotikum vor dem Absetzen
🚨 Niemals eigenmächtig absetzen
Setzen Sie Sulpirid niemals ohne ärztliche Anweisung ab! Besonders bei Schizophrenie ist das Risiko eines schweren Rückfalls sehr hoch. Viele Patienten benötigen eine langfristige Behandlung. Wenn Sie das Medikament absetzen möchten oder Probleme mit der Einnahme haben, besprechen Sie dies ausführlich mit Ihrem Arzt.
Langzeitbehandlung und Monitoring
Bei Langzeitbehandlung mit Sulpirid sind regelmäßige Kontrollen notwendig:
Notwendige Untersuchungen
- Prolaktin-Spiegel: Regelmäßig, besonders bei Symptomen (alle 3-6 Monate)
- Gewicht und BMI: Monatlich, besonders zu Beginn
- Blutzucker und HbA1c: Alle 3-6 Monate
- Blutfette: Jährlich
- EKG: Vor Behandlungsbeginn und bei Dosiserhöhung (QT-Zeit)
- Nierenfunktion: Vor Beginn und regelmäßig (Sulpirid wird renal ausgeschieden)
- Leberwerte: Regelmäßig
- Blutbild: Regelmäßig
- Bewegungsstörungen: Bei jeder Konsultation prüfen (bei hohen Dosen)
- Bei Frauen: Gynäkologische Kontrollen, Knochendichte bei langfristig erhöhtem Prolaktin
⚠️ Prolaktin-Monitoring besonders wichtig
Da Sulpirid sehr stark Prolaktin erhöht, ist eine regelmäßige Überwachung essentiell. Langfristig erhöhtes Prolaktin kann zu:
- Osteoporose (Knochenschwund)
- Erhöhtem Brustkrebsrisiko (umstritten)
- Unfruchtbarkeit
- Sexuellen Funktionsstörungen
führen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über Alternativen, wenn die Prolaktin-Werte stark erhöht sind.
Vergleich mit anderen Antipsychotika
| Merkmal | Sulpirid | Typische (z.B. Haldol) | Atypische (z.B. Risperdal) |
|---|---|---|---|
| Dosisabhängige Wirkung | Sehr ausgeprägt | Gering | Gering |
| Antidepressive Wirkung | Ja (niedrige Dosis) | Nein | Teilweise |
| Sedierende Wirkung | Minimal | Gering-Moderat | Variabel |
| Prolaktin-Erhöhung | Sehr stark | Stark | Variabel |
| Extrapyramidale Symptome | Moderat (dosisabhängig) | Häufig | Selten |
| Gewichtszunahme | Moderat | Gering | Oft stark |
| Anticholinerge Wirkung | Keine | Variabel | Variabel |
Wann ist Sulpirid eine gute Wahl?
- Bei gehemmter, antriebsarmer Depression (niedrige Dosis als Alternative zu Antidepressiva)
- Bei Negativsymptomen der Schizophrenie (Antriebslosigkeit, Rückzug)
- Bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden mit psychischer Komponente
- Bei Schwindel psychischer oder zentraler Genese
- Wenn eine nicht-sedierende Behandlung gewünscht wird
- Bei Patienten, die anticholinerge Nebenwirkungen schlecht vertragen
Wann sind andere Medikamente vorzuziehen?
- Bei Frauen mit Kinderwunsch: Wegen starker Prolaktin-Erhöhung - besser Abilify oder Seroquel
- Bei sexuellen Funktionsstörungen: Besser Antipsychotika mit geringerer Prolaktin-Wirkung
- Bei Niereninsuffizienz: Andere Antipsychotika bevorzugen
- Bei agitierter Depression: Sedierende Antidepressiva wie Mirtazapin oft besser
- Bei Schlafstörungen: Sedierende Antipsychotika wie Seroquel oder Perazin geeigneter
Praktische Hinweise zur Einnahme
Einnahmeempfehlungen
- Niedrige Dosis (antidepressiv): Morgens oder morgens und mittags (nicht abends wegen aktivierender Wirkung)
- Hohe Dosis (antipsychotisch): Gleichmäßig über den Tag verteilen
- Zu den Mahlzeiten: Kann Magen-Darm-Verträglichkeit verbessern, aber nicht zwingend
- Regelmäßigkeit: Möglichst zur gleichen Tageszeit
- Vergessene Einnahme: Baldmöglichst nachholen, aber nicht kurz vor der nächsten Dosis - niemals doppelte Dosis
- Mit Flüssigkeit: Kapseln/Tabletten mit ausreichend Wasser schlucken
Verkehrstüchtigkeit
💡 Autofahren möglich?
Im Gegensatz zu vielen anderen Antipsychotika verursacht Sulpirid in der Regel keine Sedierung. Dennoch:
- Zu Beginn der Behandlung Vorsicht (individuelle Reaktion testen)
- Bei höheren Dosen können Bewegungsstörungen oder Schwindel auftreten
- Bei niedriger Dosierung gegen Depression meist kein Problem
- Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über Ihre spezifische Situation
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie lange muss ich Sulpirid einnehmen?
Die Behandlungsdauer hängt stark von der Indikation ab:
- Depression: Mindestens 6 Monate nach Besserung der Symptome, oft auch länger
- Schizophrenie: Oft langfristig oder lebenslang notwendig
- Magen-Darm-Beschwerden: Meist kurzzeitig, einige Wochen bis Monate
- Schwindel: Je nach Ursache, oft einige Wochen bis Monate
Macht Sulpirid abhängig?
Nein, Sulpirid macht nicht abhängig. Es entwickelt sich keine Toleranz und kein Verlangen nach dem Medikament. Allerdings sollte es nicht abrupt abgesetzt werden, da die Grunderkrankung zurückkehren kann und Absetzerscheinungen auftreten können.
Warum wirkt Sulpirid bei niedriger Dosis antidepressiv?
Bei niedriger Dosierung blockiert Sulpirid hauptsächlich die präsynaptischen Dopamin-Autorezeptoren. Dies führt paradoxerweise zu einer Erhöhung der Dopamin-Ausschüttung, was antriebssteigernd und stimmungsaufhellend wirkt. Bei hoher Dosierung werden dagegen die postsynaptischen Rezeptoren blockiert, was die antipsychotische Wirkung erklärt.
Was kann ich gegen die Prolaktin-Erhöhung tun?
Optionen bei problematischer Prolaktin-Erhöhung:
- Dosisreduktion: Wenn möglich, niedrigste wirksame Dosis verwenden
- Medikamentenwechsel: Zu Antipsychotikum mit geringerer Prolaktin-Wirkung (z.B. Abilify, Seroquel)
- Zusatzmedikation: In seltenen Fällen Dopamin-Agonisten (nur unter strenger ärztlicher Kontrolle)
- Abwarten: Bei Frauen normalisiert sich der Zyklus manchmal trotz erhöhtem Prolaktin
Kann ich Sulpirid einnehmen, wenn ich schwanger werden möchte?
Dies ist problematisch, da Sulpirid stark Prolaktin erhöht, was die Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann. Zudem sollte Sulpirid in der Schwangerschaft vermieden werden. Wenn Sie schwanger werden möchten:
- Besprechen Sie dies frühzeitig mit Ihrem Arzt
- Eventuell Umstellung auf ein prolaktin-neutrales Medikament
- Familienplanung in stabileren Phasen der Erkrankung
- Engmaschige psychiatrische Begleitung
Warum soll ich Sulpirid morgens einnehmen bei Depression?
In niedriger Dosierung wirkt Sulpirid aktivierend und antriebssteigernd. Eine abendliche Einnahme kann daher zu Schlafstörungen führen. Die morgendliche Einnahme nutzt die aktivierende Wirkung tagsüber und vermeidet Schlafprobleme.
Hilft Sulpirid wirklich bei Schwindel?
Ja, Sulpirid wird bei verschiedenen Schwindelformen eingesetzt, besonders bei zentralem oder psychogenem Schwindel. Die genaue Wirkweise ist nicht vollständig geklärt, aber Sulpirid kann bei manchen Patienten sehr hilfreich sein. Die Behandlung erfolgt in niedriger Dosierung (50-150 mg täglich).
💡 Leben mit Sulpirid - Praktische Tipps
Bei niedriger Dosis (Depression, Schwindel):
- Morgens zur gleichen Zeit einnehmen
- Nicht abends einnehmen (Schlafstörungen vermeiden)
- Geduld haben - antidepressive Wirkung braucht 2-4 Wochen
- Bei Frauen: Zyklus beobachten, bei Unregelmäßigkeiten Arzt informieren
Bei hoher Dosis (Schizophrenie):
- Gleichmäßig über Tag verteilen (z.B. morgens, mittags, abends)
- Regelmäßige Einnahme sehr wichtig (Erinnerungs-App nutzen)
- Gewicht kontrollieren, gesunde Ernährung
- Auf Bewegungsstörungen achten, bei Auftreten sofort Arzt informieren
- Psychotherapie als Ergänzung nutzen
Allgemein:
- Notfallausweis mit Medikamentenliste führen
- Alle Ärzte über Sulpirid-Einnahme informieren
- Regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrnehmen
- Prolaktin-Werte im Blick behalten
Zusammenfassung
Sulpirid (Dogmatil) ist ein einzigartiges Antipsychotikum mit ausgeprägter dosisabhängiger Wirkung. In niedriger Dosierung wirkt es antidepressiv und aktivierend, in hoher Dosierung antipsychotisch. Diese Vielseitigkeit macht es zu einem interessanten Medikament für verschiedene Anwendungsgebiete.
Die Hauptvorteile von Sulpirid sind die fehlende Sedierung, die gute Verträglichkeit in niedriger Dosierung und die aktivierende Wirkung bei Depression. Der Hauptnachteil ist die sehr starke Prolaktin-Erhöhung, die zu hormonellen Nebenwirkungen führen kann.
Wichtigste Punkte:
- Verschreibungspflichtig, nur unter ärztlicher Aufsicht
- Dosierung entscheidend für Wirkung - niemals eigenständig ändern
- Sehr starke Prolaktin-Erhöhung - regelmäßige Kontrollen wichtig
- Bei Depression morgens einnehmen (aktivierende Wirkung)
- Nicht sedierend - Vorteil im Alltag
- Nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
- Bei Kinderwunsch mit Arzt besprechen
- Langsames Ausschleichen beim Absetzen