Chlorpromazin (Propaphenin)

Klassisches Antipsychotikum der ersten Generation

Was ist Chlorpromazin?

Chlorpromazin ist ein typisches Antipsychotikum der ersten Generation, das zu den klassischen Neuroleptika gehört. Es wurde 1950 synthetisiert und war eines der ersten wirksamen Medikamente gegen Psychosen überhaupt – ein Meilenstein in der Geschichte der Psychiatrie.

In Deutschland ist Chlorpromazin unter dem Handelsnamen Propaphenin bekannt. International wird es auch unter den Namen Thorazine oder Largactil vermarktet. Das Medikament gehört zur Gruppe der Phenothiazine und wird hauptsächlich zur Behandlung von Schizophrenie und anderen psychotischen Störungen eingesetzt.

Historische Bedeutung: Chlorpromazin revolutionierte in den 1950er Jahren die psychiatrische Behandlung. Vor seiner Einführung gab es kaum wirksame Behandlungsmöglichkeiten für Psychosen. Das Medikament ermöglichte vielen Patienten ein Leben außerhalb geschlossener Einrichtungen.

Heutige Verwendung

Obwohl Chlorpromazin ein älteres Medikament ist, hat es weiterhin seinen Platz in der Behandlung psychotischer Erkrankungen. Es wird heute meist dann eingesetzt, wenn:

Wie wirkt Chlorpromazin?

Chlorpromazin entfaltet seine Wirkung über mehrere Mechanismen im Gehirn. Das Verständnis dieser Wirkmechanismen hilft, sowohl die therapeutischen Effekte als auch die Nebenwirkungen zu verstehen.

Hauptwirkmechanismus

Die antipsychotische Wirkung von Chlorpromazin beruht hauptsächlich auf der Blockade von Dopamin-D2-Rezeptoren im Gehirn. Dopamin ist ein Botenstoff, der bei psychotischen Erkrankungen oft in erhöhter Aktivität vorliegt. Durch die Blockade dieser Rezeptoren werden psychotische Symptome wie Halluzinationen und Wahn reduziert.

Weitere Wirkmechanismen

Wirkungseintritt und -dauer

💊 Orale Einnahme

Wirkungseintritt nach 30-60 Minuten, maximale Wirkung nach 2-4 Stunden, Wirkdauer 4-6 Stunden.

💉 Injektion (i.m.)

Schnellerer Wirkungseintritt nach 15-30 Minuten, wird bei akuten Erregungszuständen eingesetzt.

⏰ Langzeitwirkung

Die volle antipsychotische Wirkung entwickelt sich über mehrere Wochen kontinuierlicher Einnahme.

Wichtig: Im Gegensatz zu neueren atypischen Antipsychotika wie Risperidon oder Olanzapin blockiert Chlorpromazin Dopamin-Rezeptoren sehr stark und unselektiv. Dies erklärt sowohl seine gute antipsychotische Wirkung als auch die häufigeren Bewegungsstörungen als Nebenwirkung.

Anwendungsgebiete von Chlorpromazin

Chlorpromazin wird bei verschiedenen psychiatrischen und auch einigen körperlichen Erkrankungen eingesetzt.

Hauptanwendungsgebiete

Sonderindikationen

Neben psychiatrischen Erkrankungen wird Chlorpromazin auch bei einigen körperlichen Beschwerden eingesetzt:

Typische Symptome, die behandelt werden

🎭 Positivsymptome

Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Denkstörungen, desorganisiertes Verhalten – hier wirkt Chlorpromazin gut.

😐 Negativsymptome

Antriebslosigkeit, emotionale Verflachung, sozialer Rückzug – hier ist die Wirkung begrenzt oder kann sich verschlechtern.

🌀 Erregung & Unruhe

Starke psychomotorische Erregung, Aggressivität – durch die sedierende Wirkung gut behandelbar.

Grenzen der Wirksamkeit

Chlorpromazin wirkt hauptsächlich gegen akute psychotische Symptome (Positivsymptome). Bei Negativsymptomen der Schizophrenie wie Antriebslosigkeit und emotionaler Verflachung ist die Wirkung deutlich geringer. Moderne atypische Antipsychotika können hier wirksamer sein.

Dosierung von Chlorpromazin

Die Dosierung von Chlorpromazin muss individuell angepasst werden und richtet sich nach Schwere der Erkrankung, Alter des Patienten und Verträglichkeit.

Übliche Dosierungen bei Erwachsenen

Anwendung Anfangsdosis Erhaltungsdosis Maximaldosis
Leichte Psychose (ambulant) 25-50 mg 2-3x täglich 75-300 mg/Tag 600 mg/Tag
Mittelschwere Psychose 50-100 mg 3x täglich 300-600 mg/Tag 1000 mg/Tag
Schwere akute Psychose (stationär) 100-200 mg initial 400-800 mg/Tag 2000 mg/Tag (unter strenger Kontrolle)
Übelkeit/Erbrechen 10-25 mg alle 4-6h 25-50 mg/Tag 200 mg/Tag
Schluckauf 25-50 mg 3-4x täglich 75-200 mg/Tag 400 mg/Tag
Ältere Patienten 10-25 mg 2x täglich 30-100 mg/Tag 300 mg/Tag

Besondere Dosierungsformen

Intramuskuläre Injektion: Bei akuten Erregungszuständen können 25-50 mg intramuskulär verabreicht werden. Diese Darreichungsform wirkt schneller als Tabletten und wird bei psychiatrischen Notfällen eingesetzt.

Wichtige Einnahmehinweise

  • Einnahmezeitpunkt: Meist verteilt auf 2-4 Einzeldosen über den Tag, höhere Dosis abends wegen sedierender Wirkung
  • Mit Nahrung: Einnahme zu den Mahlzeiten kann Magenbeschwerden reduzieren
  • Langsame Dosissteigerung: Schrittweise Erhöhung über mehrere Tage zur besseren Verträglichkeit
  • Nicht zerkauen: Retardtabletten müssen im Ganzen geschluckt werden
  • Regelmäßigkeit: Tägliche Einnahme zur gleichen Zeit ist wichtig für gleichbleibende Wirkung

Besondere Patientengruppen

Ältere Patienten: Bei über 65-Jährigen sollte die Dosis deutlich niedriger sein. Das Risiko für Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall, Verwirrtheit und Bewegungsstörungen ist erhöht. Anfangsdosis meist 10-25 mg täglich.

Leber- oder Nierenerkrankungen: Bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion muss die Dosis reduziert werden, da Chlorpromazin über diese Organe abgebaut wird.

Kinder und Jugendliche: Die Anwendung bei Kindern sollte nur in Ausnahmefällen und unter strenger ärztlicher Kontrolle erfolgen. Die Dosierung erfolgt nach Körpergewicht.

Nebenwirkungen von Chlorpromazin

Als typisches Antipsychotikum der ersten Generation hat Chlorpromazin ein breiteres Nebenwirkungsspektrum als moderne atypische Antipsychotika. Viele Nebenwirkungen sind dosisabhängig und lassen sich durch Dosisanpassung beeinflussen.

Sehr häufige Nebenwirkungen (mehr als 10%)

Bewegungsstörungen im Detail

Bewegungsstörungen sind die charakteristischsten Nebenwirkungen typischer Antipsychotika und treten bei Chlorpromazin häufig auf:

⚠️ Arten von Bewegungsstörungen

  • Frühdyskinesien (nach Stunden bis Tagen): Unwillkürliche Muskelkrämpfe, besonders im Gesicht, Hals und Rücken. Verdrehte Körperhaltungen, Blickkrämpfe. Behandelbar mit Biperiden (Akineton).
  • Parkinson-Syndrom (nach Tagen bis Wochen): Zittern (Tremor), Muskelsteifheit (Rigor), verlangsamte Bewegungen (Bradykinesie), kleinschrittiger Gang, maskenhafte Gesichtszüge.
  • Akathisie (nach Tagen bis Wochen): Quälende innere Unruhe mit Bewegungsdrang, Unfähigkeit stillzusitzen, ständiges Herumgehen. Oft als sehr belastend empfunden!
  • Spätdyskinesien (nach Monaten bis Jahren): Unwillkürliche, meist rhythmische Bewegungen von Gesicht, Mund und Zunge (Schmatz-, Kaubewegungen). Können auch nach Absetzen bestehen bleiben!

Häufige Nebenwirkungen (1-10%)

Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen

🚨 Sofort zum Arzt oder Notaufnahme bei:

  • Malignes neuroleptisches Syndrom (MNS): Lebensbedrohlicher Notfall! Symptome: hohes Fieber, Muskelsteifheit, Bewusstseinsstörungen, schneller Puls, Schwitzen, instabiler Blutdruck. Mortalität 10-20% unbehandelt!
  • Schwere Blutbildveränderungen: Agranulozytose (starker Abfall weißer Blutkörperchen) – Symptome: Fieber, Halsschmerzen, Infektanfälligkeit
  • Herzrhythmusstörungen: QT-Zeit-Verlängerung im EKG, Herzrasen, unregelmäßiger Herzschlag
  • Krampfanfälle: Besonders bei hohen Dosen oder vorbestehender Epilepsie
  • Schwere allergische Reaktionen: Hautausschlag, Atemnot, Schwellungen
  • Leberentzündung (Cholestase): Gelbfärbung der Haut und Augen, dunkler Urin, heller Stuhl

Umgang mit Nebenwirkungen

💧 Bei Mundtrockenheit

Viel Wasser trinken, zuckerfreie Bonbons lutschen, gute Mundhygiene, Speichelersatzprodukte

🌞 Bei Lichtempfindlichkeit

Sonnenschutz verwenden (LSF 50+), schützende Kleidung tragen, direkte Sonne meiden

💊 Bei Bewegungsstörungen

Arzt informieren! Dosisanpassung oder zusätzliche Medikamente (Anticholinergika) können helfen

⚖️ Bei Gewichtszunahme

Ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, Portionsgrößen kontrollieren, Ernährungsberatung

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Chlorpromazin kann mit vielen anderen Medikamenten interagieren. Informieren Sie immer Ihren Arzt über alle Medikamente, die Sie einnehmen – auch rezeptfreie und pflanzliche Präparate.

Gefährliche Kombinationen

❌ Besonders kritisch:

  • Alkohol: Massive Verstärkung der dämpfenden Wirkung, erhöhtes Sturzrisiko, Atemdepression möglich
  • Andere sedierende Medikamente: Benzodiazepine (Tavor, Valium), Opioide, Schlafmittel – starke gegenseitige Wirkungsverstärkung
  • Medikamente, die das QT-Intervall verlängern: Bestimmte Antibiotika (Makrolide), Antiarrhythmika, andere Antipsychotika – Gefahr lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen!
  • Medikamente gegen Parkinson (L-Dopa): Gegenseitige Wirkungsabschwächung
  • Adrenalin: Paradoxe Blutdrucksenkung möglich (statt Erhöhung)

Wichtige Wechselwirkungen

Einfluss auf andere Medikamente

Chlorpromazin kann die Wirkung bestimmter Enzyme in der Leber beeinflussen und dadurch den Abbau anderer Medikamente verändern. Dies kann zu erhöhten oder erniedrigten Wirkstoffspiegeln führen.

🔍 Regelmäßige Kontrollen notwendig

Bei Kombination mit anderen Medikamenten sind oft regelmäßige Kontrollen erforderlich: Blutdruckmessungen, EKG-Kontrollen, Blutspiegel-Bestimmungen. Ihr Arzt wird Sie entsprechend überwachen.

Gegenanzeigen - Wann darf Chlorpromazin nicht eingenommen werden?

Es gibt bestimmte Situationen, in denen Chlorpromazin nicht eingenommen werden darf:

Absolute Gegenanzeigen

Relative Gegenanzeigen (besondere Vorsicht erforderlich)

⚠️ Warnung bei Demenz

Bei älteren Menschen mit Demenz ist die Anwendung von Antipsychotika mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und Todesfälle verbunden. Chlorpromazin sollte bei dieser Patientengruppe nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und unter engmaschiger Kontrolle eingesetzt werden.

Chlorpromazin in Schwangerschaft und Stillzeit

Schwangerschaft

Die Einnahme von Chlorpromazin während der Schwangerschaft sollte nur bei zwingender Notwendigkeit erfolgen. Es liegen begrenzte Erfahrungen vor, ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko wurde in Studien nicht nachgewiesen, kann aber nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Wichtige Informationen zur Schwangerschaft

  • Erstes Trimester: Wenn möglich vermeiden, da Organbildung stattfindet
  • Zweites und drittes Trimester: Nur bei klarer Indikation und wenn keine sichereren Alternativen verfügbar sind
  • Kurz vor der Geburt: Beim Neugeborenen können Anpassungsstörungen auftreten (extrapyramidale Symptome, Atemprobleme, Trinkschwäche, Unruhe oder Schläfrigkeit)
  • Nicht abrupt absetzen: Bei Schwangeren mit Psychose kann ein abruptes Absetzen gefährlicher sein als die Fortsetzung der Behandlung
  • Engmaschige Kontrollen: Schwangere unter Chlorpromazin benötigen intensive ärztliche Betreuung

Stillzeit

Chlorpromazin geht in erheblichen Mengen in die Muttermilch über. Es wurden Nebenwirkungen beim gestillten Kind beobachtet (Sedierung, Bewegungsstörungen).

Empfehlung: Während der Behandlung mit Chlorpromazin sollte nicht gestillt werden. Falls eine Behandlung in der Stillzeit unbedingt erforderlich ist, muss abgestillt werden.

Verhütung und Familienplanung

Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung mit Chlorpromazin eine sichere Verhütungsmethode anwenden. Bei Kinderwunsch sollte rechtzeitig mit dem behandelnden Psychiater über Alternativen gesprochen werden. Moderne atypische Antipsychotika können ein günstigeres Profil in der Schwangerschaft haben.

Wichtig für Männer: Chlorpromazin kann die Spermienqualität beeinträchtigen und zu sexuellen Funktionsstörungen führen. Bei Kinderwunsch sollte dies mit dem Arzt besprochen werden.

Chlorpromazin absetzen - So geht's richtig

Das Absetzen von Chlorpromazin sollte niemals abrupt erfolgen, sondern immer schrittweise über mehrere Wochen.

Warum langsam ausschleichen?

Nach längerer Einnahme haben sich Rezeptoren und Stoffwechsel im Gehirn an das Medikament angepasst. Bei plötzlichem Absetzen können Absetzerscheinungen und im schlimmsten Fall ein Rückfall der Psychose auftreten.

Typische Absetzerscheinungen

Empfohlenes Ausschleichschema

Allgemeine Regel: Die Dosis sollte alle 1-2 Wochen um etwa 10-25% der aktuellen Dosis reduziert werden. Bei sehr hohen Dosen kann zunächst schneller reduziert werden, die letzten 100 mg sollten besonders langsam ausgeschlichen werden.

Beispiel bei 300 mg/Tag:

  • Woche 1-2: 250 mg/Tag
  • Woche 3-4: 200 mg/Tag
  • Woche 5-6: 150 mg/Tag
  • Woche 7-8: 100 mg/Tag
  • Woche 9-10: 75 mg/Tag
  • Woche 11-12: 50 mg/Tag
  • Woche 13-14: 25 mg/Tag
  • Ab Woche 15: Komplett absetzen

Wichtige Hinweise zum Absetzen

⚠️ Rückfallrisiko beachten!

  • Niemals eigenständig absetzen: Immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt
  • Stabile Phase abwarten: Mindestens 6-12 Monate symptomfrei sein
  • Rückfallrisiko ist hoch: Bei Schizophrenie liegt das Rückfallrisiko nach Absetzen bei 60-80% innerhalb eines Jahres
  • Warnsignale ernst nehmen: Bei ersten Anzeichen eines Rückfalls (Schlafstörungen, Unruhe, Misstrauen, veränderte Wahrnehmung) sofort den Arzt kontaktieren
  • Soziales Umfeld einbeziehen: Angehörige können Frühwarnzeichen oft früher erkennen

Alternativen zum vollständigen Absetzen

Bei vielen Patienten mit chronischen psychotischen Erkrankungen ist eine Langzeitbehandlung sinnvoller als das vollständige Absetzen. Folgende Optionen können diskutiert werden:

Besondere Hinweise zur Anwendung

Verkehrstüchtigkeit und Bedienen von Maschinen

Chlorpromazin beeinträchtigt die Reaktionsfähigkeit erheblich, besonders zu Beginn der Behandlung und bei Dosiserhöhungen.

🚗 Autofahren und Maschinen bedienen

Während der Behandlung mit Chlorpromazin sollten Sie kein Auto fahren und keine gefährlichen Maschinen bedienen. Die Kombination aus Müdigkeit, verlangsamten Reaktionen, Schwindel und möglichen Sehstörungen macht diese Tätigkeiten zu gefährlich. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, wann Sie diese Tätigkeiten gegebenenfalls wieder aufnehmen können.

Hitze und Kälte

Chlorpromazin beeinträchtigt die Temperaturregulation des Körpers:

Sonnenlicht und UV-Strahlung

Chlorpromazin macht die Haut sehr lichtempfindlich. Es kann zu schweren Sonnenbränden schon nach kurzer Sonnenexposition kommen. Auch die Augen sind empfindlicher.

☀️ Sonnenschutz ist Pflicht!

  • Hoher Lichtschutzfaktor (LSF 50+) verwenden
  • Schützende Kleidung und Kopfbedeckung tragen
  • Sonnenbrille mit UV-Schutz tragen
  • Direkte Mittagssonne meiden
  • Auch bei bewölktem Himmel vorsichtig sein
  • Solarium ist tabu!

Regelmäßige Kontrollen

Während der Behandlung mit Chlorpromazin sind regelmäßige ärztliche Kontrollen wichtig:

Überdosierung

Eine Überdosierung mit Chlorpromazin ist potenziell lebensbedrohlich. Symptome einer Überdosierung sind:

⚠️ Bei Verdacht auf Überdosierung

Rufen Sie sofort den Notruf 112 oder fahren Sie in die nächste Notaufnahme. Teilen Sie mit, dass Chlorpromazin eingenommen wurde und wie viel. Eine Überdosierung erfordert intensivmedizinische Behandlung!

Häufig gestellte Fragen zu Chlorpromazin

Ist Chlorpromazin noch zeitgemäß?

Chlorpromazin ist ein älteres Medikament und wird heute meist durch modernere atypische Antipsychotika wie Risperidon, Olanzapin oder Aripiprazol ersetzt, die oft besser verträglich sind. Dennoch hat Chlorpromazin weiterhin seinen Stellenwert bei bestimmten Symptomen (z.B. schwere Erregung), wenn neuere Medikamente nicht vertragen werden, oder aus wirtschaftlichen Gründen. Es ist nach wie vor in der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel.

Wie schnell wirkt Chlorpromazin?

Die beruhigende Wirkung tritt bei oraler Gabe nach etwa 30-60 Minuten ein. Bei intramuskulärer Injektion wirkt es bereits nach 15-30 Minuten, weshalb es bei akuten psychiatrischen Notfällen eingesetzt wird. Die antipsychotische Wirkung gegen Halluzinationen und Wahn entwickelt sich jedoch erst über mehrere Wochen kontinuierlicher Einnahme.

Welche Bewegungsstörungen können auftreten?

Chlorpromazin kann verschiedene extrapyramidale Symptome verursachen: Frühdyskinesien (Muskelkrämpfe im Gesicht und Nacken), Parkinson-Symptome (Zittern, Steifheit, verlangsamte Bewegungen), Akathisie (quälende innere Unruhe mit Bewegungsdrang) und bei Langzeiteinnahme Spätdyskinesien (unwillkürliche Bewegungen von Mund und Zunge). Diese Nebenwirkungen sind häufiger als bei modernen Antipsychotika und sollten engmaschig überwacht werden.

Macht Chlorpromazin müde?

Ja, Müdigkeit und Sedierung sind sehr häufige Nebenwirkungen von Chlorpromazin. Dies ist zu Beginn der Behandlung besonders ausgeprägt und lässt oft mit der Zeit etwas nach. Die sedierende Wirkung kann therapeutisch erwünscht sein (z.B. bei starker Erregung), beeinträchtigt aber die Verkehrstüchtigkeit und Arbeitsfähigkeit erheblich.

Kann man Chlorpromazin dauerhaft einnehmen?

Ja, Chlorpromazin kann bei chronischen psychotischen Erkrankungen langfristig eingenommen werden. Bei Schizophrenie ist oft eine Langzeitbehandlung notwendig, um Rückfälle zu vermeiden. Allerdings steigt bei Langzeiteinnahme das Risiko für Spätdyskinesien (unwillkürliche Bewegungen), weshalb regelmäßige neurologische Kontrollen wichtig sind. Heute wird oft versucht, nach Stabilisierung auf ein moderneres Antipsychotikum umzustellen.

Was ist das maligne neuroleptische Syndrom?

Das maligne neuroleptische Syndrom (MNS) ist eine lebensbedrohliche Komplikation bei der Behandlung mit Antipsychotika. Es kann bei jedem Patienten und jeder Dosis auftreten, meist in den ersten Behandlungswochen. Symptome sind: hohes Fieber, schwere Muskelsteifigkeit, Bewusstseinsstörungen, instabiler Blutdruck und schneller Puls. Bei Verdacht auf MNS muss sofort der Notarzt (112) gerufen werden. Die Sterblichkeit liegt unbehandelt bei 10-20%!

Hilft Chlorpromazin bei Schluckauf?

Ja, Chlorpromazin ist tatsächlich eines der wirksamsten Medikamente gegen unstillbaren Schluckauf (Singultus), wenn andere Maßnahmen versagt haben. Die Wirkung beruht wahrscheinlich auf der Beeinflussung des Schluckaufzentrums im Gehirn. Die Dosierung ist deutlich niedriger als bei psychotischen Erkrankungen (meist 25-50 mg 3-4x täglich). Diese Anwendung ist jedoch nur für therapieresistente Fälle gedacht.

Darf man unter Chlorpromazin in die Sonne?

Nur mit sehr gutem Sonnenschutz! Chlorpromazin macht die Haut extrem lichtempfindlich (Photosensibilität). Es kann zu schweren Sonnenbränden schon nach kurzer Sonnenexposition kommen. Verwenden Sie immer Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor (LSF 50+), tragen Sie schützende Kleidung und Sonnenbrille, und meiden Sie direkte Sonne, besonders zur Mittagszeit. Auch bei bewölktem Himmel ist Vorsicht geboten. Solarium ist absolut tabu!

Was ist der Unterschied zu modernen Antipsychotika?

Chlorpromazin ist ein typisches (klassisches) Antipsychotikum, während Medikamente wie Risperidon, Olanzapin oder Aripiprazol zu den atypischen Antipsychotika gehören. Der Hauptunterschied: Typische Antipsychotika blockieren hauptsächlich Dopamin-Rezeptoren sehr stark und verursachen daher häufiger Bewegungsstörungen. Atypische Antipsychotika blockieren zusätzlich Serotonin-Rezeptoren und haben meist ein günstigeres Nebenwirkungsprofil, besonders was Bewegungsstörungen angeht. Dafür verursachen sie häufiger Gewichtszunahme und Stoffwechselstörungen.

Was passiert, wenn ich eine Dosis vergessen habe?

Wenn Sie eine Dosis vergessen haben, nehmen Sie die nächste Dosis zur gewohnten Zeit ein – niemals die doppelte Menge. Bei gelegentlichem Vergessen ist das meist unproblematisch, bei häufigem Vergessen steigt jedoch das Rückfallrisiko. Stellen Sie sich gegebenenfalls einen Alarm oder verwenden Sie eine Medikamenten-Box mit Wochentagen. Bei Problemen mit der Einnahmetreue sprechen Sie mit Ihrem Arzt über Depot-Präparate (Langzeitinjektionen).