Was ist Lurasidon?
Lurasidon ist ein modernes atypisches Antipsychotikum der neueren Generation. Es wurde speziell zur Behandlung von Schizophrenie und bipolarer Depression entwickelt und kam 2014 in Europa auf den Markt. Der Handelsname ist Latuda.
Im Vergleich zu älteren Antipsychotika zeichnet sich Lurasidon durch ein günstigeres metabolisches Profil aus. Das bedeutet, dass es zu weniger Gewichtszunahme und Stoffwechselstörungen führt als viele andere atypische Antipsychotika wie Olanzapin oder Quetiapin.
💡 Gut zu wissen
Handelsname: Latuda
Wirkstoffklasse: Atypisches Antipsychotikum
Verschreibung: Verschreibungspflichtig (Rezept erforderlich)
Darreichungsform: Tabletten (18 mg, 37 mg, 74 mg, 148 mg)
Besonderheit: Muss mit einer Mahlzeit (mindestens 350 kcal) eingenommen werden
Wie wirkt Lurasidon?
Lurasidon entfaltet seine Wirkung durch die Beeinflussung verschiedener Botenstoffsysteme im Gehirn. Als atypisches Antipsychotikum wirkt es nicht nur auf Dopamin, sondern auch auf Serotonin und andere Neurotransmitter.
Wirkmechanismus im Detail
Lurasidon wirkt hauptsächlich über folgende Mechanismen:
- Dopamin-D2-Rezeptor-Antagonist: Blockade der Dopamin-Rezeptoren reduziert psychotische Symptome wie Halluzinationen und Wahn
- Serotonin-5-HT2A-Rezeptor-Antagonist: Verbessert Negativsymptome und kognitive Funktionen, reduziert extrapyramidale Nebenwirkungen
- Serotonin-5-HT7-Rezeptor-Antagonist: Kann zur antidepressiven Wirkung beitragen
- Partieller Agonist am 5-HT1A-Rezeptor: Zusätzliche antidepressive und angstlösende Effekte
Besonderheiten der Wirkung
Lurasidon hat eine hohe Rezeptoraffinität, was bedeutet, dass es bereits in relativ niedrigen Dosen wirksam ist. Die Kombination der verschiedenen Wirkmechanismen führt zu:
- Guter Wirkung gegen Positivsymptome (Halluzinationen, Wahn)
- Verbesserung von Negativsymptomen (Antriebslosigkeit, emotionale Verflachung)
- Positiven Effekten auf kognitive Funktionen
- Antidepressiver Wirkung bei bipolarer Depression
Wirkungseintritt und Dauer
Die antipsychotische Wirkung setzt innerhalb weniger Tage ein, die volle therapeutische Wirkung entwickelt sich jedoch erst nach mehreren Wochen kontinuierlicher Einnahme. Die Halbwertszeit von Lurasidon beträgt etwa 18 Stunden, daher ist eine einmalige tägliche Einnahme ausreichend.
🔬 Wissenschaftlich erklärt
Das Besondere an Lurasidon ist seine ausgeglichene Rezeptorbindung. Im Gegensatz zu einigen anderen Antipsychotika blockiert es kaum Histamin- oder Muscarin-Rezeptoren. Das erklärt, warum es zu weniger Gewichtszunahme, Müdigkeit und anticholinergen Nebenwirkungen führt als viele andere atypische Antipsychotika.
Anwendungsgebiete von Lurasidon
Lurasidon ist in Deutschland für zwei Hauptindikationen zugelassen:
1. Schizophrenie bei Erwachsenen und Jugendlichen
Schizophrenie ist die Hauptindikation von Lurasidon. Es wird eingesetzt zur:
- Behandlung akuter psychotischer Episoden: Bei Halluzinationen, Wahn, Denkstörungen
- Langzeittherapie: Zur Vorbeugung von Rückfällen
- Behandlung von Positivsymptomen: Wie Stimmenhören, Wahnvorstellungen
- Verbesserung von Negativsymptomen: Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug, emotionale Verflachung
- Kognitive Verbesserung: Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit
2. Bipolare Depression
Lurasidon ist auch zur Behandlung depressiver Episoden bei bipolarer Störung (Bipolar-I-Störung) zugelassen, und zwar:
- Als Monotherapie (alleinige Behandlung)
- In Kombination mit Lithium oder Valproat
Diese Zulassung macht Lurasidon besonders wertvoll, da viele andere Antipsychotika hauptsächlich gegen Manie, nicht aber gegen bipolare Depression wirken.
Off-Label-Anwendungen
Manchmal wird Lurasidon auch außerhalb der zugelassenen Indikationen eingesetzt (Off-Label), zum Beispiel bei:
- Schweren Angststörungen
- Behandlungsresistenten Depressionen (als Zusatzmedikation)
- Autismus-Spektrum-Störungen (bei aggressivem Verhalten)
Wichtig: Off-Label-Anwendungen sollten nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch einen erfahrenen Psychiater erfolgen.
💡 Vorteile bei bipolarer Depression
Bipolare Depression ist oft schwierig zu behandeln. Antidepressiva können manische Episoden auslösen. Lurasidon bietet hier eine sichere Alternative mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen depressive Symptome, ohne das Risiko eines Umschlags in eine Manie wesentlich zu erhöhen.
Dosierung und Einnahme
Die Dosierung von Lurasidon wird vom Arzt individuell festgelegt und richtet sich nach der Indikation, dem Ansprechen auf die Behandlung und der Verträglichkeit.
Dosierung bei Schizophrenie
- Startdosis: 37 mg einmal täglich
- Übliche Erhaltungsdosis: 37 bis 74 mg einmal täglich
- Maximaldosis: 148 mg einmal täglich
Eine Dosistitration ist meist nicht erforderlich. Die Startdosis von 37 mg ist oft bereits wirksam.
Dosierung bei bipolarer Depression
- Startdosis: 18 oder 37 mg einmal täglich
- Übliche Erhaltungsdosis: 18 bis 74 mg einmal täglich
- Maximaldosis: 148 mg einmal täglich
Besondere Dosierungshinweise
Nierenfunktionsstörung: Bei eingeschränkter Nierenfunktion sollte die Dosis reduziert werden:
- Mäßige Einschränkung: Maximaldosis 74 mg täglich
- Schwere Einschränkung: Maximaldosis 37 mg täglich
Leberfunktionsstörung: Bei Lebererkrankungen ist ebenfalls eine Dosisanpassung erforderlich. Ihr Arzt wird die geeignete Dosis festlegen.
Ältere Patienten: Keine routinemäßige Dosisanpassung erforderlich, aber niedrigere Anfangsdosen können sinnvoll sein.
Einnahmehinweise - SEHR WICHTIG!
🍽️ Einnahme mit Nahrung zwingend erforderlich!
Lurasidon muss mit einer Mahlzeit eingenommen werden, die mindestens 350 Kilokalorien enthält. Dies ist keine Empfehlung, sondern eine zwingende Voraussetzung für die ausreichende Aufnahme des Wirkstoffs!
Bei Einnahme auf nüchternen Magen wird nur etwa halb so viel Wirkstoff aufgenommen. Das bedeutet, die Therapie wäre nicht ausreichend wirksam.
Beispiele für geeignete Mahlzeiten (ca. 350 kcal):
- 2 Scheiben Vollkornbrot mit Käse oder Wurst
- Eine Schüssel Müsli mit Milch und Obst
- Eine normale warme Mahlzeit
- Großer Salat mit Dressing und Brot
Weitere Einnahmehinweise
- Tageszeit: Kann morgens oder abends eingenommen werden. Wählen Sie eine feste Zeit, die gut in Ihren Tagesablauf passt
- Tabletten: Ganz schlucken, nicht zerteilen, zerkauen oder zerkleinern
- Vergessene Einnahme: Bei vergessener Dosis nehmen Sie die nächste Dosis zur gewohnten Zeit ein. Niemals die doppelte Dosis nehmen!
💡 Warum ist die Einnahme mit Essen so wichtig?
Lurasidon ist ein fettlöslicher Wirkstoff. Die Aufnahme im Darm wird durch Nahrung, besonders durch Fett, stark verbessert. Studien zeigen, dass die Bioverfügbarkeit (aufgenommene Menge) bei Einnahme mit einer 350-kcal-Mahlzeit etwa 2-3 mal höher ist als auf nüchternen Magen.
Nebenwirkungen von Lurasidon
Wie alle Medikamente kann auch Lurasidon Nebenwirkungen verursachen. Allerdings gilt es im Vergleich zu vielen anderen Antipsychotika als gut verträglich, besonders was Gewichtszunahme und Stoffwechselstörungen betrifft.
Sehr häufige und häufige Nebenwirkungen
Diese Nebenwirkungen treten bei mehr als 1 von 10 bzw. 1 von 100 Patienten auf:
Sehr häufig (mehr als 1 von 10 Patienten):
- Akathisie: Innere Unruhe, Bewegungsdrang (häufigste Nebenwirkung!)
- Parkinson-ähnliche Symptome: Leichte Bewegungsverlangsamung, Steifheit
Häufig (1 bis 10 von 100 Patienten):
- Schläfrigkeit und Müdigkeit: Besonders zu Behandlungsbeginn
- Übelkeit: Meist vorübergehend
- Schlaflosigkeit: Paradoxerweise trotz dämpfender Wirkung möglich
- Erregung, Angst, Unruhe
- Schwindel
- Verstopfung
- Erhöhte Blutzuckerwerte: Aber deutlich seltener als bei Olanzapin oder Clozapin
- Erhöhte Prolaktin-Werte: Mit möglichen Folgen (siehe unten)
- Gewichtszunahme: Meist gering (durchschnittlich unter 2 kg)
Akathisie - Die häufigste Nebenwirkung
Akathisie ist bei Lurasidon die häufigste belastende Nebenwirkung. Sie äußert sich als:
- Innere Unruhe und Getriebenheit
- Unfähigkeit, still zu sitzen
- Ständiger Bewegungsdrang
- Auf und Ab gehen
- Zappeln mit den Beinen
Was tun bei Akathisie? Informieren Sie Ihren Arzt. Oft helfen:
- Dosisreduktion
- Zusätzliche Medikamente (z.B. Betablocker wie Propranolol)
- Bei starker Belastung: Wechsel zu einem anderen Antipsychotikum
Prolaktin-bedingte Nebenwirkungen
Lurasidon erhöht den Prolaktin-Spiegel, allerdings meist weniger stark als Risperidon oder Amisulprid. Mögliche Folgen:
- Bei Frauen: Zyklusstörungen, Ausbleiben der Periode, Milchfluss aus der Brust
- Bei Männern: Erektionsstörungen, verringerte Libido, selten Brustvergrößerung
- Beide Geschlechter: Bei langfristiger Erhöhung Osteoporose-Risiko
Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen
🚨 Notfall - Sofort zum Arzt!
Malignes neuroleptisches Syndrom (MNS): Sehr selten, aber lebensbedrohlich! Symptome: Hohes Fieber, Muskelsteifigkeit, Bewusstseinsstörungen, instabiler Blutdruck. Bei Verdacht sofort den Notarzt (112) rufen!
Krampfanfälle: Selten, besonders bei vorbestehender Epilepsie oder niedrigerer Krampfschwelle
Schwere allergische Reaktionen: Hautausschlag, Schwellungen, Atemnot - sofort medizinische Hilfe suchen!
Suizidgedanken: Besonders zu Behandlungsbeginn bei Depression. Bei suizidalen Gedanken sofort Arzt, Notfall oder Telefonseelsorge kontaktieren!
Vorteile von Lurasidon beim Nebenwirkungsprofil
Im Vergleich zu vielen anderen atypischen Antipsychotika hat Lurasidon Vorteile:
- Geringere Gewichtszunahme: Deutlich weniger als bei Olanzapin, Quetiapin oder Clozapin
- Geringeres Diabetes-Risiko: Weniger Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel
- Geringere Fettstoffwechselstörungen: Cholesterin und Triglyceride werden weniger beeinflusst
- Weniger Sedierung: Im Vergleich zu stark dämpfenden Antipsychotika
- Keine QT-Zeit-Verlängerung: Geringeres Risiko für Herzrhythmusstörungen
💡 Umgang mit Nebenwirkungen
Die meisten Nebenwirkungen treten zu Beginn der Behandlung auf und lassen mit der Zeit nach. Akathisie ist die Ausnahme - sie kann anhalten und erfordert oft eine Dosisanpassung.
Informieren Sie Ihren Arzt über alle auftretenden Nebenwirkungen. Oft gibt es Lösungen, ohne dass Sie das Medikament absetzen müssen.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Lurasidon wird über ein bestimmtes Enzym in der Leber abgebaut (CYP3A4). Medikamente, die dieses Enzym beeinflussen, können zu gefährlichen Wechselwirkungen führen. Informieren Sie Ihren Arzt über alle Medikamente, die Sie einnehmen.
Kontraindizierte Kombinationen (absolut verboten)
🚫 Diese Kombinationen sind verboten!
Starke CYP3A4-Hemmer: Diese Medikamente dürfen NICHT zusammen mit Lurasidon eingenommen werden, da sie den Lurasidon-Spiegel gefährlich erhöhen:
- Ketoconazol, Itraconazol: Pilzmedikamente
- Ritonavir, Cobicistat: HIV-Medikamente
- Clarithromycin, Telithromycin: Antibiotika
- Nefazodon: Antidepressivum
Starke CYP3A4-Induktoren: Diese Medikamente machen Lurasidon unwirksam:
- Rifampicin: Tuberkulose-Medikament
- Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital: Antiepileptika
- Johanniskraut: Pflanzliches Antidepressivum
Vorsicht geboten bei
Mäßige CYP3A4-Hemmer: Dosisanpassung erforderlich (maximal 74 mg Lurasidon):
- Diltiazem, Verapamil (Blutdrucksenker)
- Erythromycin (Antibiotikum)
- Fluconazol (Pilzmedikament)
- Grapefruitsaft (vermeiden Sie diesen während der Behandlung!)
Verstärkung der dämpfenden Wirkung:
- Alkohol (vollständig vermeiden!)
- Beruhigungsmittel wie Lorazepam oder Diazepam
- Schlafmittel wie Zopiclon
- Opioide (starke Schmerzmittel)
Verstärkung der Akathisie:
- Andere Antipsychotika
- Metoclopramid (Mittel gegen Übelkeit)
Blutdrucksenkende Wirkung:
- Blutdrucksenker (verstärkte Blutdrucksenkung möglich)
Kombinationen mit anderen Psychopharmaka
Antidepressiva: Können in der Regel kombiniert werden, besonders bei bipolarer Depression. Vorsicht bei SSRI, die auch CYP3A4 hemmen (z.B. Fluvoxamin).
Stimmungsstabilisierer: Lithium und Valproat können sicher mit Lurasidon kombiniert werden (zugelassen bei bipolarer Depression).
Benzodiazepine: Können kurzfristig kombiniert werden, aber Vorsicht vor verstärkter Sedierung.
⚠️ Grapefruitsaft vermeiden!
Grapefruitsaft hemmt das CYP3A4-Enzym und kann den Lurasidon-Spiegel erhöhen. Verzichten Sie während der gesamten Behandlung auf Grapefruit und Grapefruitsaft. Auch Pomelo und Bitterorangen (Sevilla-Orangen) sollten gemieden werden.
Gegenanzeigen - Wann darf Lurasidon nicht eingenommen werden?
In bestimmten Situationen darf Lurasidon nicht oder nur unter strenger ärztlicher Kontrolle angewendet werden.
Absolute Gegenanzeigen
- Allergie: Bekannte Überempfindlichkeit gegen Lurasidon oder einen der Hilfsstoffe
- Gleichzeitige Einnahme starker CYP3A4-Hemmer oder -Induktoren (siehe Wechselwirkungen)
Relative Gegenanzeigen (Vorsicht erforderlich)
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Besonders bei instabiler Herzinsuffizienz oder kürzlichem Herzinfarkt
- Parkinson-Erkrankung: Lurasidon kann die Symptome verschlechtern
- Demenz mit Lewy-Körperchen: Besondere Vorsicht erforderlich
- Epilepsie oder Krampfanfälle in der Vorgeschichte: Krampfschwelle kann gesenkt werden
- Schwere Leber- oder Nierenfunktionsstörungen: Dosisanpassung oder andere Behandlung erwägen
- Diabetes: Engmaschige Blutzuckerkontrolle erforderlich
- Erhöhtes Schlaganfall-Risiko: Besonders bei älteren Patienten
Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangerschaft: Lurasidon sollte in der Schwangerschaft nur angewendet werden, wenn der Nutzen die potenziellen Risiken deutlich überwiegt. Besprechen Sie eine Schwangerschaft oder Schwangerschaftsplanung unbedingt mit Ihrem Arzt. Im letzten Schwangerschaftsdrittel kann es beim Neugeborenen zu Anpassungsstörungen kommen.
Stillzeit: Es ist nicht bekannt, ob Lurasidon in die Muttermilch übergeht. Das Stillen sollte während der Behandlung vermieden werden, oder es muss eine Entscheidung zwischen Stillen und Behandlung getroffen werden.
Frauen im gebärfähigen Alter: Sollten während der Behandlung eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.
Besondere Patientengruppen
Ältere Patienten mit Demenz:
⚠️ Warnung für ältere Demenz-Patienten
Bei älteren Menschen mit Demenz ist das Risiko für Schlaganfälle und Todesfälle unter Antipsychotika erhöht. Lurasidon ist nicht zur Behandlung von Demenz-bedingten Verhaltensstörungen zugelassen und sollte nur eingesetzt werden, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen.
Kinder und Jugendliche unter 13 Jahren: Lurasidon ist für diese Altersgruppe nicht zugelassen, da keine ausreichenden Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit vorliegen.
Jugendliche 13-17 Jahre: Zugelassen nur für Schizophrenie, nicht für bipolare Depression.
Absetzen von Lurasidon
Das Absetzen von Lurasidon sollte niemals abrupt erfolgen, sondern immer schrittweise und unter ärztlicher Aufsicht. Ein plötzliches Absetzen kann zu Absetzerscheinungen und einem Rückfall der psychotischen Symptome führen.
Warum nicht abrupt absetzen?
Bei plötzlichem Absetzen können auftreten:
- Absetz-Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen
- Cholinerge Rebound-Symptome: Muskelzittern, Unruhe
- Psychotischer Rückfall: Wiederkehr von Halluzinationen, Wahn und anderen Symptomen
- Depressive Symptome: Bei bipolarer Depression
- Bewegungsstörungen: Vorübergehende unwillkürliche Bewegungen
Richtiges Ausschleichen
Die Dosisreduktion sollte schrittweise über mehrere Wochen erfolgen. Der genaue Plan wird vom Arzt individuell festgelegt und berücksichtigt:
- Die aktuelle Dosis
- Die Dauer der bisherigen Behandlung
- Den Krankheitsverlauf und die aktuelle Stabilität
- Frühere Absetzversuche oder Rückfälle
- Die Grunderkrankung (Schizophrenie oder bipolare Depression)
Typisches Ausschleich-Schema:
- Von 74 mg auf 37 mg: 1-2 Wochen
- Von 37 mg auf 18 mg: 1-2 Wochen
- Von 18 mg auf 0: weitere 1-2 Wochen
Dies ist nur ein Beispiel. Ihr Arzt wird das Schema an Ihre individuelle Situation anpassen.
Wann kann ein Absetzen sinnvoll sein?
Ein Absetzen von Lurasidon sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn:
- Die Symptome über einen längeren Zeitraum (mindestens 1-2 Jahre) vollständig kontrolliert sind
- Es sich um eine erste psychotische Episode handelte und keine Risikofaktoren für weitere Episoden vorliegen
- Die Nebenwirkungen trotz Dosisanpassungen nicht tolerierbar sind (dann Wechsel zu anderem Medikament)
- Der Arzt nach sorgfältiger Abwägung einen Absetzversuch für vertretbar hält
🚫 Niemals selbstständig absetzen!
Setzen Sie Lurasidon niemals ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt ab, auch wenn Sie sich gut fühlen oder die Nebenwirkungen als belastend empfinden. Ein unkontrolliertes Absetzen kann zu einem schweren Rückfall führen.
Bei Schizophrenie beträgt das Rückfallrisiko nach Absetzen der Medikation innerhalb eines Jahres etwa 80%. Eine Langzeitbehandlung ist oft notwendig und sinnvoll.
Nach dem Absetzen
Auch nach erfolgreichem Absetzen ist eine engmaschige Nachbetreuung wichtig. Achten Sie auf Frühwarnzeichen eines Rückfalls:
- Schlafstörungen (häufig erstes Anzeichen)
- Zunehmende Anspannung oder Ängstlichkeit
- Sozialer Rückzug
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Misstrauen oder ungewöhnliche Gedanken
- Stimmungsschwankungen (bei bipolarer Störung)
Informieren Sie bei solchen Anzeichen umgehend Ihren Arzt. Ein frühzeitiges Wiederansetzen der Medikation kann einen schweren Rückfall verhindern.
Lurasidon im Vergleich zu anderen Antipsychotika
Lurasidon gehört zu den modernen atypischen Antipsychotika und hat im Vergleich zu anderen Medikamenten spezifische Vor- und Nachteile.
Vorteile von Lurasidon
- Geringes Gewichtszunahme-Risiko: Deutlich weniger als bei Olanzapin, Quetiapin oder Clozapin
- Geringes metabolisches Risiko: Wenig Einfluss auf Blutzucker und Fettstoffwechsel
- Keine QT-Verlängerung: Sicherer für Patienten mit Herzerkrankungen als z.B. Ziprasidon
- Zulassung für bipolare Depression: Eines der wenigen Antipsychotika mit dieser Indikation
- Positive Effekte auf kognitive Funktionen: Kann Aufmerksamkeit und Gedächtnis verbessern
- Einmal tägliche Einnahme: Gute Praktikabilität
- Weniger Sedierung: Im Vergleich zu stark dämpfenden Antipsychotika
Nachteile von Lurasidon
- Häufige Akathisie: Kann sehr belastend sein
- Einnahme mit Nahrung erforderlich: Kann umständlich sein
- Viele Wechselwirkungen: Durch CYP3A4-Metabolismus
- Keine Depot-Form: Tägliche Einnahme erforderlich
- Relativ teuer: Als neueres Medikament (noch kein Generikum in allen Ländern)
- Prolaktin-Erhöhung: Kann zu hormonellen Nebenwirkungen führen
Vergleich mit anderen atypischen Antipsychotika
Lurasidon vs. Olanzapin:
- Lurasidon: Weniger Gewichtszunahme, weniger Sedierung, mehr Akathisie
- Olanzapin: Stärker sedierend, mehr Gewichtszunahme, oft als wirksamer empfunden
Lurasidon vs. Risperidon:
- Ähnliches Nebenwirkungsprofil bezüglich EPS und Prolaktin
- Lurasidon: Besseres metabolisches Profil, Zulassung für bipolare Depression
- Risperidon: Depot-Form verfügbar, mehr Erfahrung in der Langzeitanwendung
Lurasidon vs. Aripiprazol:
- Beide mit günstigem metabolischen Profil
- Aripiprazol: Noch weniger Gewichtszunahme, keine Prolaktin-Erhöhung, kann aber Akathisie und Unruhe verursachen
- Lurasidon: Stärker antidepressiv wirksam bei bipolarer Depression
Lurasidon vs. Quetiapin:
- Quetiapin: Stärker sedierend, mehr Gewichtszunahme, auch bei Depression zugelassen
- Lurasidon: Weniger metabolische Nebenwirkungen, weniger Sedierung, spezifisch für bipolare Depression
Für wen ist Lurasidon besonders geeignet?
💡 Ideale Patienten für Lurasidon
Lurasidon kann besonders sinnvoll sein bei:
- Patienten mit Übergewicht oder Stoffwechselstörungen (Diabetes, hohes Cholesterin)
- Bipolarer Depression, besonders wenn Antidepressiva Manie auslösen könnten
- Patienten, die unter kognitiven Einschränkungen leiden
- Herz-Kreislauf-Risikopatienten (keine QT-Verlängerung)
- Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Schizophrenie
- Patienten, die starke Sedierung vermeiden möchten
Weniger geeignet bei:
- Patienten mit ausgeprägter Akathisie unter anderen Antipsychotika
- Schwierigkeiten mit regelmäßigen Mahlzeiten
- Einnahme von CYP3A4-Hemmern oder -Induktoren
- Mangelnder Therapietreue (keine Depot-Form verfügbar)
Häufig gestellte Fragen zu Lurasidon
Wie schnell wirkt Lurasidon?
Erste Effekte können innerhalb weniger Tage spürbar sein, besonders bei akuten Symptomen. Die volle antipsychotische Wirkung entwickelt sich jedoch erst nach 2-4 Wochen kontinuierlicher Einnahme. Bei bipolarer Depression kann die antidepressive Wirkung ebenfalls einige Wochen benötigen.
Macht Lurasidon abhängig?
Nein, Lurasidon macht nicht abhängig im klassischen Sinne. Es verursacht keine Sucht und kein Verlangen nach dem Medikament. Dennoch darf es nicht abrupt abgesetzt werden, da Absetzerscheinungen und Rückfälle auftreten können.
Kann ich unter Lurasidon Auto fahren?
Lurasidon kann die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen, besonders zu Beginn der Behandlung. Klären Sie mit Ihrem Arzt, ob Sie fahrtüchtig sind. Verzichten Sie auf das Führen von Fahrzeugen, wenn Sie sich schwindelig, müde oder unkonzentriert fühlen oder unter Akathisie leiden.
Warum muss ich Lurasidon mit Essen einnehmen?
Lurasidon ist fettlöslich und wird nur in Gegenwart von Nahrung ausreichend aufgenommen. Bei nüchterner Einnahme wird nur etwa die Hälfte der Dosis aufgenommen, was die Therapie unwirksam machen würde. Die Mahlzeit sollte mindestens 350 Kilokalorien enthalten.
Kann ich Lurasidon morgens oder abends einnehmen?
Beides ist möglich. Wählen Sie die Zeit, die am besten zu Ihrem Tagesablauf und Ihren Hauptmahlzeiten passt. Wenn Sie unter Müdigkeit leiden, kann die abendliche Einnahme sinnvoll sein. Bei Schlaflosigkeit probieren Sie die morgendliche Einnahme.
Was mache ich bei starker Akathisie?
Akathisie ist die häufigste belastende Nebenwirkung. Informieren Sie Ihren Arzt. Mögliche Lösungen: Dosisreduktion, zusätzliche Medikamente gegen Akathisie (z.B. Propranolol), oder bei starker Belastung Wechsel zu einem anderen Antipsychotikum wie Aripiprazol oder Olanzapin.
Wie lange muss ich Lurasidon nehmen?
Die Behandlungsdauer ist individuell verschieden. Bei einer ersten psychotischen Episode wird oft mindestens 1-2 Jahre Behandlung empfohlen. Bei chronischer Schizophrenie oder rezidivierender bipolarer Störung kann eine Langzeittherapie oder lebenslange Behandlung notwendig sein.
Verträgt sich Lurasidon mit Alkohol?
Nein, Alkohol sollte während der Behandlung mit Lurasidon vermieden werden. Die Kombination kann die dämpfende Wirkung verstärken und zu Bewusstseinsstörungen führen. Außerdem kann Alkohol psychotische Symptome verschlechtern.
Nehme ich durch Lurasidon zu?
Eine Gewichtszunahme ist möglich, aber im Vergleich zu vielen anderen Antipsychotika gering. In Studien lag die durchschnittliche Gewichtszunahme bei unter 2 kg. Trotzdem sollten Sie Ihr Gewicht regelmäßig kontrollieren und auf eine gesunde Ernährung und Bewegung achten.