Amitriptylin (Saroten)

Trizyklisches Antidepressivum zur Behandlung von Depressionen, chronischen Schmerzen und Migräne

Was ist Amitriptylin?

Amitriptylin ist ein bewährtes Medikament aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva (TCA), das seit den 1960er Jahren eingesetzt wird. Trotz des Aufkommens moderner Antidepressiva wie SSRI (Cipralex, Sertralin) hat Amitriptylin aufgrund seiner vielfältigen Wirkungen weiterhin einen wichtigen Stellenwert in der Behandlung.

Das Medikament wird hauptsächlich unter dem Handelsnamen Saroten vertrieben, ist aber auch als Generikum verfügbar. Amitriptylin zeichnet sich durch eine starke sedierende Wirkung aus, weshalb es häufig abends eingenommen wird.

💡 Schnellübersicht Amitriptylin

  • Wirkstoff: Amitriptylin
  • Handelsname: Saroten (auch als Generikum)
  • Wirkstoffklasse: Trizyklisches Antidepressivum (TCA)
  • Verschreibungspflichtig: Ja
  • Verfügbare Stärken: 10 mg, 25 mg, 50 mg, 75 mg (Tabletten)
  • Darreichungsformen: Tabletten, Lösung (Tropfen)
  • Besonderheit: Stark sedierend, vielseitig einsetzbar

Geschichte und Stellenwert

Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin waren die ersten wirksamen Medikamente gegen Depressionen. Obwohl heute modernere Antidepressiva verfügbar sind, wird Amitriptylin weiterhin häufig verschrieben, insbesondere wenn zusätzliche Eigenschaften wie Schmerzlinderung oder Schlafförderung erwünscht sind.

Wie wirkt Amitriptylin?

Amitriptylin beeinflusst mehrere Botenstoffe im Gehirn gleichzeitig, was seine vielseitigen Wirkungen erklärt.

Hauptwirkmechanismen

Das Medikament hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin in die Nervenzellen. Dadurch verbleiben diese stimmungsaufhellenden Botenstoffe länger im synaptischen Spalt und können ihre Wirkung verstärkt entfalten. Dies ist der antidepressive Hauptmechanismus.

Zusätzlich blockiert Amitriptylin verschiedene Rezeptoren:

Wichtig: Die anticholinergen Eigenschaften von Amitriptylin sind stärker ausgeprägt als bei modernen Antidepressiva. Dies führt zwar zu mehr Nebenwirkungen, kann aber in manchen Situationen therapeutisch genutzt werden.

Schmerzlindernde Wirkung

Amitriptylin verstärkt die körpereigenen schmerzlindernden Systeme im Rückenmark. Diese Wirkung tritt bereits bei niedrigeren Dosierungen ein als die antidepressive Wirkung und ist unabhängig von der stimmungsaufhellenden Wirkung. Deshalb wird Amitriptylin auch bei chronischen Schmerzen ohne Depression eingesetzt.

Wann setzt die Wirkung ein?

Wofür wird Amitriptylin eingesetzt?

Amitriptylin ist für verschiedene Erkrankungen zugelassen und wird darüber hinaus häufig off-label eingesetzt.

Zugelassene Anwendungsgebiete

Häufige Off-Label-Anwendungen

Ärzte verschreiben Amitriptylin oft für Erkrankungen, für die es nicht offiziell zugelassen ist:

💡 Besonderheit bei Schmerzbehandlung

Für die Schmerzbehandlung werden meist niedrigere Dosierungen verwendet (10-75 mg) als für die Behandlung von Depressionen (75-150 mg). Die schmerzlindernde Wirkung tritt schneller ein und ist unabhängig von der antidepressiven Wirkung.

Dosierung von Amitriptylin

Die Dosierung wird individuell angepasst und hängt stark vom Anwendungsgebiet ab. Aufgrund der starken Nebenwirkungen wird mit niedrigen Dosen begonnen und langsam gesteigert.

Übliche Dosierungen nach Indikation

Indikation Startdosis Übliche Dosis Maximaldosis
Depression 25-50 mg abends 75-150 mg/Tag 300 mg/Tag
Chronische Schmerzen 10-25 mg abends 25-75 mg/Tag 150 mg/Tag
Migräneprophylaxe 10-25 mg abends 25-75 mg/Tag 150 mg/Tag
Schlafstörungen 10-25 mg abends 10-50 mg/Tag 75 mg/Tag
Bettnässen (Kinder) 10-25 mg abends 25-50 mg/Tag Altersabhängig

Wichtige Hinweise zur Einnahme

⚠️ Besondere Vorsicht bei

  • Älteren Patienten: Mit 10-25 mg beginnen, langsamer steigern
  • Leberfunktionsstörungen: Dosisreduktion erforderlich
  • Nierenfunktionsstörungen: Vorsichtige Dosistitration
  • Herzerkrankungen: Engmaschige Kontrollen notwendig

Dosissteigerung

Die Behandlung beginnt mit einer niedrigen Dosis, die dann schrittweise erhöht wird:

EKG-Kontrollen

Vor Behandlungsbeginn und bei Dosissteigerungen über 100 mg sollten EKG-Kontrollen erfolgen, da Amitriptylin die Herzfunktion beeinflussen kann.

Nebenwirkungen von Amitriptylin

Amitriptylin hat im Vergleich zu modernen Antidepressiva mehr Nebenwirkungen. Viele lassen jedoch mit der Zeit nach oder können durch Dosisanpassung gemildert werden.

Sehr häufige Nebenwirkungen (mehr als 1 von 10 Patienten)

Häufige Nebenwirkungen (1 bis 10 von 100 Patienten)

🚨 Seltene, aber ernste Nebenwirkungen

Kontaktieren Sie sofort einen Arzt bei:

  • Herzrhythmusstörungen: Unregelmäßiger oder sehr schneller Herzschlag
  • Krampfanfälle: Besonders bei höheren Dosen oder Überdosierung
  • Akuter Harnverhalt: Unfähigkeit, Wasser zu lassen
  • Akutes Engwinkelglaukom: Plötzliche Augenschmerzen, Sehverschlechterung
  • Delir: Verwirrtheit, Halluzinationen (besonders bei älteren Menschen)
  • Leberfunktionsstörungen: Gelbfärbung der Haut oder Augen
  • Blutbildveränderungen: Unerklärliche blaue Flecken, Fieber
  • Suizidgedanken: Besonders zu Behandlungsbeginn

Anticholinerge Nebenwirkungen im Detail

Die sogenannten anticholinergen Nebenwirkungen sind typisch für Amitriptylin und können problematisch sein:

Tipps zum Umgang mit Nebenwirkungen

Überdosierung - Besondere Gefahr

Amitriptylin ist bei Überdosierung sehr gefährlich und kann lebensbedrohlich sein. Die therapeutische Breite ist eng, das heißt, bereits geringe Mengen über der Maximaldosis können toxisch wirken.

🚨 Zeichen einer Überdosierung

Bei Verdacht auf Überdosierung sofort den Notruf 112 wählen!

  • Schwere Schläfrigkeit bis Bewusstlosigkeit
  • Verwirrtheit, Halluzinationen
  • Krampfanfälle
  • Herzrhythmusstörungen
  • Sehr niedriger oder sehr hoher Blutdruck
  • Atemstörungen
  • Weite Pupillen

Amitriptylin absetzen - So geht's richtig

Das Absetzen von Amitriptylin sollte immer schrittweise erfolgen. Obwohl das Medikament nicht abhängig macht, können beim abrupten Absetzen unangenehme Entzugssymptome auftreten.

⚠️ Niemals plötzlich absetzen!

Ein abruptes Absetzen kann zu erheblichen körperlichen und psychischen Beschwerden führen. Setzen Sie Amitriptylin nur nach Rücksprache mit Ihrem Arzt ab.

Typische Absetzerscheinungen

Bei zu schnellem Absetzen können folgende Symptome auftreten:

Diese Symptome sind keine Anzeichen einer Abhängigkeit, sondern Anpassungsreaktionen des Körpers.

Empfohlenes Ausschleichschema

Ein typisches Ausschleichschema bei Amitriptylin könnte so aussehen:

Zeitraum Dosisreduktion Beispiel bei 150 mg
Woche 1-2 Reduktion um 25 mg 125 mg
Woche 3-4 Weitere Reduktion um 25 mg 100 mg
Woche 5-6 Reduktion um 25 mg 75 mg
Woche 7-8 Reduktion um 25 mg 50 mg
Woche 9-10 Reduktion um 25 mg 25 mg
Woche 11-12 Reduktion um 10-12,5 mg 12,5 mg
Woche 13-14 Absetzen 0 mg

Bei niedrigeren Ausgangsdosen kann schneller reduziert werden, bei höheren Dosen oder bei Auftreten von Absetzerscheinungen sollte langsamer vorgegangen werden.

💡 Tipps für erfolgreiches Absetzen

  • Wählen Sie eine stabile Lebensphase ohne größere Belastungen
  • Informieren Sie nahestehende Personen über Ihr Vorhaben
  • Führen Sie ein Symptomtagebuch
  • Bei Schmerzbehandlung: Alternative Schmerzstrategie entwickeln
  • Bei starken Absetzerscheinungen: Dosis wieder erhöhen und noch langsamer reduzieren
  • Regelmäßige Arzttermine während des Absetzens

Besonderheiten beim Absetzen

Wenn Amitriptylin zur Schmerzbehandlung oder Migräneprophylaxe eingesetzt wurde, sollte vor dem Absetzen eine alternative Behandlungsstrategie entwickelt werden. Die Schmerzen oder Migräneanfälle können nach dem Absetzen wiederkehren.

Wechselwirkungen und Gegenanzeigen

Wichtige Wechselwirkungen

Amitriptylin interagiert mit zahlreichen Medikamenten. Informieren Sie Ihren Arzt über alle Medikamente, die Sie einnehmen.

🚨 Gefährliche Kombinationen - Nicht einnehmen mit:

  • MAO-Hemmern: Mindestens 14 Tage Abstand einhalten - Lebensgefahr durch hypertensive Krise!
  • QT-Zeit verlängernde Medikamente: Erhöhtes Risiko für gefährliche Herzrhythmusstörungen
  • Cisaprid, Terfenadin: Schwere Herzrhythmusstörungen möglich

Vorsicht bei Kombination mit:

Alkohol und Drogen

Alkohol sollte während der Behandlung mit Amitriptylin vollständig vermieden werden. Die Kombination kann zu gefährlicher Sedierung, Atemstörungen und verstärkten Nebenwirkungen führen. Bei chronischem Alkoholkonsum ist die Lebertoxizität erhöht.

Der Konsum von Drogen, insbesondere Stimulanzien wie Kokain oder Amphetaminen, ist äußerst gefährlich und kann zu schweren Herzrhythmusstörungen führen.

Rauchen

Rauchen beschleunigt den Abbau von Amitriptylin, sodass höhere Dosen notwendig sein können. Bei Rauchstopp kann der Wirkstoffspiegel ansteigen.

Absolute Gegenanzeigen

Amitriptylin darf nicht eingenommen werden bei:

Besondere Vorsicht erforderlich bei:

Amitriptylin in Schwangerschaft und Stillzeit

Schwangerschaft

Die Einnahme von Amitriptylin in der Schwangerschaft sollte nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Amitriptylin gehört zu den besser untersuchten Antidepressiva in der Schwangerschaft.

Aktuelle Datenlage:

💡 Hinweis für Schwangere

Wenn Sie schwanger sind oder eine Schwangerschaft planen, sprechen Sie mit Ihrem Arzt. Setzen Sie Amitriptylin nicht eigenmächtig ab, da eine unbehandelte Depression in der Schwangerschaft Risiken für Mutter und Kind birgt. Unter den trizyklischen Antidepressiva gilt Amitriptylin als Mittel der Wahl, wenn eine Behandlung notwendig ist.

Stillzeit

Amitriptylin geht in geringen Mengen in die Muttermilch über. Die Konzentrationen beim gestillten Kind sind niedrig.

Empfehlungen für die Stillzeit:

Empfängnisverhütung

Amitriptylin kann die Wirkung hormoneller Verhütungsmittel beeinflussen. Besprechen Sie mit Ihrem Gynäkologen eine geeignete Verhütungsmethode.

Amitriptylin bei besonderen Patientengruppen

Ältere Menschen (über 65 Jahre)

Ältere Menschen sind besonders empfindlich für die Nebenwirkungen von Amitriptylin. Besondere Vorsicht ist geboten:

Bei älteren Menschen sollte wenn möglich ein moderneres Antidepressivum wie Cipralex oder Sertralin bevorzugt werden, da diese besser verträglich sind.

Kinder und Jugendliche

Amitriptylin ist bei Kindern und Jugendlichen nur zur Behandlung von Bettnässen (ab 6 Jahren) zugelassen. Für die Behandlung von Depressionen sollten andere Antidepressiva bevorzugt werden.

⚠️ Erhöhtes Suizidrisiko bei jungen Menschen

Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 24 Jahre können Antidepressiva zu Beginn der Behandlung Suizidgedanken verstärken. Engmaschige Überwachung ist erforderlich, besonders in den ersten Wochen.

Patienten mit Herzerkrankungen

Amitriptylin beeinflusst die Herzfunktion und kann Rhythmusstörungen verursachen. Bei Herzerkrankungen ist besondere Vorsicht geboten:

Amitriptylin im Vergleich mit anderen Antidepressiva

Amitriptylin vs. SSRI

Im Vergleich zu modernen SSRI wie Cipralex, Sertralin oder Fluoxetin:

Vorteile von Amitriptylin:

Nachteile von Amitriptylin:

Amitriptylin vs. andere Trizyklika

Verglichen mit anderen trizyklischen Antidepressiva:

Amitriptylin vs. moderne Alternativen bei Schmerzen

Für die Behandlung chronischer Schmerzen gibt es Alternativen:

Wann ist Amitriptylin erste Wahl?

Amitriptylin ist besonders geeignet bei:

Wann sollten andere Medikamente bevorzugt werden?

Praktische Tipps für die Behandlung mit Amitriptylin

Optimale Einnahme

Umgang mit Müdigkeit am Tag

Gewichtskontrolle

Gewichtszunahme ist eine häufige Nebenwirkung. Gegenmaßnahmen:

Autofahren und Bedienen von Maschinen

⚠️ Wichtig für Verkehrsteilnahme

Amitriptylin beeinträchtigt die Fahrtüchtigkeit erheblich, besonders zu Behandlungsbeginn und bei Dosiserhöhungen. Verzichten Sie auf Autofahren, bis Sie wissen, wie das Medikament auf Sie wirkt. Dies kann mehrere Wochen dauern.

Mundtrockenheit bewältigen

Behandlung chronischer Schmerzen

Bei Einsatz gegen chronische Schmerzen:

Migräneprophylaxe

Wenn Amitriptylin zur Migräneprophylaxe eingesetzt wird:

Häufig gestellte Fragen zu Amitriptylin

Macht Amitriptylin abhängig?

Nein, Amitriptylin macht nicht abhängig. Es verursacht keine Toleranzentwicklung und kein Verlangen nach dem Medikament. Allerdings können beim Absetzen Entzugssymptome auftreten, weshalb ein langsames Ausschleichen wichtig ist.

Kann ich mit Amitriptylin Alkohol trinken?

Nein, auf Alkohol sollte während der Behandlung vollständig verzichtet werden. Die Kombination verstärkt die sedierende Wirkung erheblich und kann zu gefährlichen Zuständen wie Bewusstlosigkeit und Atemstörungen führen.

Warum nehme ich mit Amitriptylin zu?

Amitriptylin steigert den Appetit, besonders auf Kohlenhydrate und Süßes. Zusätzlich verlangsamt es den Stoffwechsel leicht. Die Gewichtszunahme beträgt im Durchschnitt 3-10 kg, kann aber individuell sehr unterschiedlich sein.

Wie lange muss ich Amitriptylin einnehmen?

Bei Depression sollte die Behandlung mindestens 6 Monate nach vollständiger Besserung fortgeführt werden. Bei chronischen Schmerzen oder Migräneprophylaxe kann eine längerfristige Einnahme notwendig sein. Die genaue Dauer wird individuell mit Ihrem Arzt festgelegt.

Kann ich von Amitriptylin auf ein anderes Antidepressivum wechseln?

Ja, ein Wechsel ist möglich. Je nach Zielmedikament gibt es verschiedene Strategien (direkter Wechsel, ausschleichen und neu beginnen, überlappender Wechsel). Ihr Arzt wird das geeignete Vorgehen mit Ihnen besprechen. Beachten Sie besonders die 14-tägige Wartezeit bei Wechsel zu MAO-Hemmern.

Warum soll ich ein EKG machen?

Amitriptylin kann die Herzfunktion beeinflussen und die sogenannte QT-Zeit verlängern. Dies kann zu Herzrhythmusstörungen führen. Ein EKG vor Behandlungsbeginn und bei höheren Dosen hilft, Risiken frühzeitig zu erkennen.

Ist Amitriptylin gefährlich?

Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch und unter ärztlicher Kontrolle ist Amitriptylin sicher. Allerdings hat es eine engere therapeutische Breite als moderne Antidepressiva und ist bei Überdosierung sehr gefährlich. Bewahren Sie es sicher auf, besonders wenn Kinder im Haushalt leben.

Hilft Amitriptylin gegen Schlafstörungen?

Ja, Amitriptylin wird häufig in niedriger Dosierung (10-50 mg) zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Es verkürzt die Einschlafzeit und verbessert die Schlafqualität. Allerdings kann es zu morgendlicher Müdigkeit führen.

Warum ist mein Mund so trocken?

Mundtrockenheit ist eine der häufigsten Nebenwirkungen und wird durch die anticholinerge Wirkung von Amitriptylin verursacht. Leider bessert sich diese Nebenwirkung meist nicht mit der Zeit. Trinken Sie viel, nutzen Sie zuckerfreie Bonbons und pflegen Sie Ihre Zähne gut.

Kann ich Amitriptylin bei Bedarf nehmen?

Nein, Amitriptylin muss regelmäßig eingenommen werden, um zu wirken. Eine Einnahme bei Bedarf ist nicht sinnvoll. Die volle Wirkung entwickelt sich erst nach regelmäßiger Einnahme über mehrere Wochen.