Bipolare Störung verstehen und behandeln

Umfassende Informationen über Manie, Depression und den Wechsel zwischen extremen Stimmungen – eine behandelbare Erkrankung mit guten Therapiemöglichkeiten

Was ist eine bipolare Störung?

Die bipolare Störung, früher auch manisch-depressive Erkrankung genannt, ist eine psychische Erkrankung, die durch extreme Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist. Betroffene erleben Phasen mit übermäßig gehobener Stimmung (Manie oder Hypomanie) und Phasen mit niedergedrückter Stimmung (Depression). Zwischen diesen Extremen liegen meist stabile Phasen, in denen die Stimmung normal ist.

In Deutschland sind etwa 1-3% der Bevölkerung betroffen, das entspricht rund 800.000 bis 2,4 Millionen Menschen. Die Erkrankung beginnt meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr und betrifft Männer und Frauen etwa gleich häufig.

💡 Wichtig zu wissen

Eine bipolare Störung ist keine Charakterschwäche und auch keine "Laune", die man kontrollieren könnte. Es handelt sich um eine biologisch bedingte Erkrankung des Gehirns, die eine lebenslange Behandlung erfordert. Mit der richtigen Therapie können die meisten Betroffenen jedoch ein stabiles und erfülltes Leben führen.

Symptome: Die beiden Pole

Die Erkrankung ist durch den Wechsel zwischen zwei gegensätzlichen Zuständen gekennzeichnet:

🔥 Manische Phase / Hypomanie

Dauer: Mindestens 1 Woche (Manie) oder 4 Tage (Hypomanie)

  • Euphorische Stimmung: Übertrieben gute Laune, Hochgefühl
  • Gesteigerte Aktivität: Rastlosigkeit, ständiger Bewegungsdrang
  • Vermindertes Schlafbedürfnis: 2-3 Stunden Schlaf genügen
  • Rededrang: Schnelles, sprunghaftes Sprechen
  • Gedankenrasen: Viele Ideen gleichzeitig
  • Größenwahn: Überschätzung der eigenen Fähigkeiten
  • Risikobereitschaft: Leichtsinniges Verhalten, Geldausgaben
  • Gereiztheit: Schnell verärgert bei Widerspruch
  • Gesteigerte Libido: Erhöhtes sexuelles Verlangen
  • Keine Krankheitseinsicht: Gefühl, besonders leistungsfähig zu sein

❄️ Depressive Phase

Dauer: Mindestens 2 Wochen

  • Niedergeschlagenheit: Tiefe Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit
  • Antriebslosigkeit: Keine Energie für alltägliche Dinge
  • Interessenverlust: Nichts macht mehr Freude
  • Konzentrationsstörungen: Schwierigkeiten beim Denken
  • Schlafstörungen: Zu viel oder zu wenig Schlaf
  • Appetitstörungen: Gewichtsverlust oder -zunahme
  • Schuldgefühle: Sich wertlos und schuldig fühlen
  • Verlangsamung: Bewegungen und Denken verlangsamt
  • Suizidgedanken: Gedanken an den Tod
  • Körperliche Beschwerden: Schmerzen ohne klare Ursache

🆘 Bei Suizidgedanken sofort Hilfe holen!

Menschen mit bipolarer Störung haben ein erhöhtes Suizidrisiko, besonders in depressiven Phasen und beim Übergang zwischen den Phasen.

📞 Notruf: 112

📞 Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (24h, kostenlos)

Formen der bipolaren Störung

Es gibt verschiedene Ausprägungen der bipolaren Störung:

Bipolar-I-Störung

Bipolar-II-Störung

Zyklothymie

Rapid Cycling

Gemischte Episoden

Ursachen und Risikofaktoren

Die genaue Entstehung ist nicht vollständig geklärt. Es wirken mehrere Faktoren zusammen:

Biologische Faktoren

Psychosoziale Faktoren (Auslöser für Episoden)

Diagnose

Die Diagnose wird durch einen Facharzt für Psychiatrie gestellt:

Diagnostischer Prozess

Herausforderungen bei der Diagnose

Warum ist die richtige Diagnose wichtig?

Eine falsche Behandlung als einfache Depression kann gefährlich sein: Antidepressiva ohne Stimmungsstabilisierer können bei bipolarer Störung manische Episoden auslösen oder Rapid Cycling verstärken. Die richtige Diagnose ist daher entscheidend für eine wirksame Behandlung.

Behandlung der bipolaren Störung

Die Behandlung erfolgt lebenslang und kombiniert Medikamente mit Psychotherapie. Ziel ist die Stabilisierung der Stimmung und die Verhinderung neuer Episoden.

💊 Stimmungsstabilisierer

Die Basis der Behandlung. Sie verhindern sowohl manische als auch depressive Episoden.

Hauptwirkstoffe:

🧠 Atypische Antipsychotika

Werden zusätzlich oder alternativ eingesetzt, besonders bei akuter Manie oder als Erhaltungstherapie.

🗣️ Psychotherapie

Ergänzt die medikamentöse Behandlung und verbessert die Langzeitprognose deutlich.

  • Psychoedukation: Aufklärung über die Erkrankung, Warnsignale erkennen
  • Kognitive Verhaltenstherapie: Umgang mit Symptomen, Rückfallprävention
  • Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie: Regulierung von Schlaf-Wach-Rhythmus und Tagesstruktur
  • Familientherapie: Einbeziehung der Angehörigen

Behandlung nach Phasen

Akute Manie

Akute Depression

Phasenprophylaxe (Langzeitbehandlung)

💡 Wichtiges zur Medikation

Lebenslange Behandlung: Auch in stabilen Phasen müssen die Medikamente weitergenommen werden. Ohne Behandlung erleiden 90% innerhalb von 5 Jahren einen Rückfall.

Lithium-Kontrollen: Bei Lithium sind regelmäßige Blutspiegelkontrollen (alle 3-6 Monate) und Nieren-/Schilddrüsenchecks notwendig.

Niemals abrupt absetzen: Plötzliches Absetzen kann schwere Rückfälle oder Rapid Cycling auslösen.

Keine Antidepressiva allein: Antidepressiva ohne Stimmungsstabilisierer können bei bipolarer Störung Manie auslösen!

Verlauf und Prognose

Der Verlauf ist sehr individuell, aber mit guter Behandlung deutlich günstiger:

Ohne Behandlung

Mit konsequenter Behandlung

Prognosefaktoren

Günstig:

Ungünstig:

Leben mit bipolarer Störung

Ein erfülltes Leben mit bipolarer Störung ist möglich. Wichtig sind Selbstmanagement und gute Unterstützung:

Selbstmanagement-Strategien

Warnsignale erkennen

Beginnende Manie:

Beginnende Depression:

Notfallplan erstellen

Für Angehörige

Als Angehöriger spielen Sie eine wichtige Rolle bei der Unterstützung:

Was Sie tun können

Was Sie vermeiden sollten

Besondere Situationen

Schwangerschaft und Stillzeit

Beruf und Ausbildung

✅ Erfolgsgeschichten

Viele erfolgreiche Menschen leben mit bipolarer Störung: Künstler, Wissenschaftler, Unternehmer. Mit der richtigen Behandlung ist ein erfülltes Leben absolut möglich. Die Kreativität und Energie, die in hypomanen Phasen entstehen kann, wird von manchen Betroffenen sogar als Bereicherung empfunden – solange die Extreme vermieden werden.

Forschung und neue Ansätze

📚 Hilfreiche Ressourcen

Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS): www.dgbs.de

Selbsthilfegruppen: Über DGBS oder www.nakos.de

Krisendienst: Telefonseelsorge 0800 111 0 111 / 0800 111 0 222

Für Angehörige: Bundesverband der Angehörigen (BApK) – www.bapk.de

🆘 In Notfällen

Bei akuter Krise, Manie mit Selbst-/Fremdgefährdung oder Suizidgedanken:

📞 Notruf: 112

📞 Ärztlicher Bereitschaftsdienst: 116 117

📞 Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222

Zögern Sie nicht, Hilfe zu holen – auch gegen den Willen des Betroffenen in der Manie!