Imipramin: Wirkung, Dosierung & Nebenwirkungen

Umfassender Ratgeber zum trizyklischen Antidepressivum Imipramin – bewährtes Medikament bei schweren Depressionen, chronischen Schmerzen und Panikstörungen

Was ist Imipramin?

Imipramin ist ein trizyklisches Antidepressivum (TZA) und gehört zu den ersten Antidepressiva, die jeweils entwickelt wurden. Es wurde bereits 1957 entdeckt und gilt als "Urgestein" unter den Antidepressiva. Der Handelsname ist Tofranil.

Im Gegensatz zu moderneren Antidepressiva wie Sertralin oder Venlafaxin haben trizyklische Antidepressiva ein breiteres Wirkspektrum – sie beeinflussen nicht nur Serotonin und Noradrenalin, sondern auch andere Rezeptoren im Körper. Dies führt zu einer starken antidepressiven Wirkung, aber auch zu mehr Nebenwirkungen.

Heute wird Imipramin meist als Reservemedikament eingesetzt, wenn modernere Antidepressiva nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden.

💊 Schnellübersicht Imipramin

  • Wirkstoffklasse: Trizyklisches Antidepressivum (TZA)
  • Handelsname: Tofranil
  • Verfügbare Stärken: 10 mg, 25 mg, 50 mg
  • Einnahme: 1-3x täglich, meist abends wegen sedierender Wirkung
  • Wirkungseintritt: 2-4 Wochen
  • Verschreibungspflichtig: Ja

Wie wirkt Imipramin?

Imipramin hat einen komplexen Wirkmechanismus, der sich von modernen Antidepressiva unterscheidet:

Hauptwirkung: Hemmung der Wiederaufnahme

Wie SNRI hemmt Imipramin die Wiederaufnahme von:

Dadurch bleiben diese Botenstoffe länger im synaptischen Spalt verfügbar und können ihre Wirkung verstärkt entfalten.

Zusätzliche Wirkungen (anticholinerge und antihistaminerge Effekte)

Im Gegensatz zu SSRI und SNRI blockiert Imipramin auch andere Rezeptoren:

Diese zusätzlichen Wirkungen erklären das breite Nebenwirkungsspektrum von Imipramin, aber auch seine Wirksamkeit bei verschiedenen Erkrankungen.

Anwendungsgebiete

Imipramin wird bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt:

Erkrankung Beschreibung
Depression Besonders bei schweren und therapieresistenten Depressionen
Panikstörung Mit oder ohne Agoraphobie
Chronische Schmerzen Neuropathische Schmerzen, Fibromyalgie, Migräneprophylaxe
Enuresis nocturna Bettnässen bei Kindern ab 6 Jahren

Off-Label-Anwendungen

Imipramin wird manchmal auch bei folgenden Erkrankungen eingesetzt:

Warum wird Imipramin heute seltener eingesetzt?

Imipramin ist sehr wirksam, wird aber heute meist erst eingesetzt, wenn moderne Antidepressiva versagt haben. Gründe:

Dennoch hat Imipramin seinen Platz in der Therapie, besonders bei therapieresistenten Depressionen oder wenn chronische Schmerzen zusätzlich behandelt werden sollen.

Dosierung und Einnahme

Die Dosierung von Imipramin muss langsam eingeschlichen werden, um Nebenwirkungen zu minimieren.

Dosierung bei Depression

Dosierung bei Panikstörung

Dosierung bei chronischen Schmerzen

Dosierung bei Bettnässen (Kinder ab 6 Jahren)

💡 Wichtige Einnahmehinweise

  • Zeitpunkt: Abends einnehmen wegen sedierender Wirkung (oder aufteilen bei höheren Dosen)
  • Mit/ohne Essen: Mit oder nach dem Essen, um Magenbeschwerden zu vermeiden
  • Langsam einschleichen: Nie mit hoher Dosis beginnen!
  • Regelmäßigkeit: Täglich zur gleichen Zeit
  • Geduld: Volle Wirkung erst nach 2-4 Wochen
  • Nicht abrupt absetzen: Immer langsam ausschleichen

Besondere Patientengruppen

Ältere Patienten (über 65 Jahre)

Bei älteren Menschen wird mit niedrigeren Dosen begonnen (10-25 mg/Tag) und langsamer gesteigert. Erhaltungsdosis meist 50-100 mg/Tag. Besondere Vorsicht wegen:

Nieren- oder Leberfunktionsstörungen

Bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion ist eine Dosisreduktion erforderlich, da Imipramin langsamer abgebaut wird.

Wann wirkt Imipramin?

Die antidepressive Wirkung von Imipramin tritt verzögert ein:

⏰ Geduld ist wichtig

Die ersten Wochen können belastend sein: Nebenwirkungen treten oft sofort auf, während die gewünschte Wirkung noch auf sich warten lässt. Brechen Sie die Behandlung nicht vorzeitig ab! Die langsame Eindosierung hilft, Nebenwirkungen zu minimieren.

Nebenwirkungen von Imipramin

Imipramin hat deutlich mehr Nebenwirkungen als moderne Antidepressiva. Dies liegt an der Blockade verschiedener Rezeptoren.

Anticholinerge Nebenwirkungen (sehr häufig)

Diese entstehen durch die Blockade von Acetylcholin-Rezeptoren:

Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen (wichtig!)

❤️ EKG-Kontrollen erforderlich!

Vor Beginn der Behandlung und bei Dosissteigerungen sollte ein EKG gemacht werden. Imipramin kann Herzrhythmusstörungen verursachen, besonders bei vorbestehenden Herzerkrankungen oder höheren Dosen. Dies ist einer der Hauptgründe, warum moderne Antidepressiva bevorzugt werden.

Weitere häufige Nebenwirkungen

Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen

Gefährliche Überdosierung

Eine Überdosierung mit Imipramin ist lebensbedrohlich und einer der Hauptgründe, warum das Medikament heute zurückhaltender eingesetzt wird.

Symptome einer Überdosierung

🆘 Bei Überdosierung sofort handeln!

Rufen Sie sofort den Notruf 112! Eine Überdosierung mit Imipramin ist ein medizinischer Notfall und kann innerhalb weniger Stunden tödlich sein. Die kardiotoxische Wirkung macht Imipramin besonders gefährlich. Bei Suizidgefahr sollte immer nur eine kleine Menge verschrieben werden.

Anticholinerge Nebenwirkungen im Detail

Die anticholinergen Nebenwirkungen sind charakteristisch für trizyklische Antidepressiva und oft der Grund für Therapieabbrüche.

Umgang mit anticholinergen Nebenwirkungen

Mundtrockenheit

Verstopfung

Verschwommenes Sehen

Harnverhalt

Gewichtszunahme durch Imipramin

Imipramin führt häufig zu Gewichtszunahme, oft mehr als moderne Antidepressiva:

Gegenmaßnahmen:

Absetzerscheinungen

Imipramin sollte niemals abrupt abgesetzt werden, da es zu Absetzerscheinungen kommen kann:

Mögliche Absetzerscheinungen

Richtig ausschleichen

Imipramin muss langsam ausgeschlichen werden:

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Imipramin hat zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten:

Gefährliche Wechselwirkungen

Medikamentengruppe Risiko
MAO-Hemmer Lebensgefährlich! Mindestens 14 Tage Abstand erforderlich
Adrenalin Starke Blutdruckerhöhung, Herzrhythmusstörungen
Andere QT-Zeit-verlängernde Medikamente Erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen
Anticholinerge Medikamente Verstärkung anticholinerger Nebenwirkungen, Delir-Risiko
Alkohol Verstärkte sedierende Wirkung, erhöhtes Sturzrisiko

Weitere wichtige Wechselwirkungen

Gegenanzeigen und Vorsichtsmaßnahmen

Absolute Kontraindikationen

Relative Kontraindikationen (Vorsicht geboten)

Schwangerschaft und Stillzeit

Imipramin sollte in Schwangerschaft und Stillzeit möglichst vermieden werden:

SSRI wie Sertralin gelten in der Schwangerschaft als sicherer.

Kinder und Jugendliche

Bei Kindern und Jugendlichen wird Imipramin nur in speziellen Fällen eingesetzt:

Imipramin und Autofahren

Imipramin beeinträchtigt die Fahrtüchtigkeit deutlich:

🚗 Vorsicht im Straßenverkehr

In den ersten Wochen der Behandlung und nach Dosiserhöhungen sollten Sie kein Auto fahren. Auch später ist Vorsicht geboten. Testen Sie, wie Sie auf das Medikament reagieren, bevor Sie wieder aktiv am Straßenverkehr teilnehmen.

Alkohol und Imipramin

Der Konsum von Alkohol während der Behandlung mit Imipramin ist problematisch:

Alkohol sollte während der Behandlung mit Imipramin vermieden werden.

Vergleich mit anderen Antidepressiva

Wirkstoff Besonderheiten
Imipramin (TZA) Sehr wirksam, viele Nebenwirkungen, gefährlich bei Überdosierung
Amitriptylin (TZA) Ähnlich wie Imipramin, stärker sedierend, häufiger bei Schmerzen
Sertralin (SSRI) Moderne Alternative, weniger Nebenwirkungen, sicherer
Venlafaxin (SNRI) Auch wirksam bei schweren Depressionen, besser verträglich
Mirtazapin Weniger anticholinerge NW, starke Gewichtszunahme

Wann ist Imipramin die richtige Wahl?

Imipramin kann besonders geeignet sein bei:

Weniger geeignet ist Imipramin bei:

Langzeitbehandlung

Empfohlene Behandlungsdauer

Regelmäßige Kontrollen

Bei Langzeittherapie mit Imipramin sind regelmäßige Kontrollen wichtig:

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Macht Imipramin abhängig?

Nein, Imipramin macht nicht abhängig im medizinischen Sinne. Es gibt kein Verlangen nach höheren Dosen. Allerdings können beim Absetzen Absetzerscheinungen auftreten, weshalb ein langsames Ausschleichen wichtig ist.

Warum wird Imipramin heute seltener verschrieben?

Moderne Antidepressiva (SSRI, SNRI) haben weniger Nebenwirkungen, sind sicherer bei Überdosierung und erfordern keine EKG-Kontrollen. Imipramin wird meist erst eingesetzt, wenn diese nicht wirken.

Kann ich Imipramin mit einem SSRI kombinieren?

Ja, manchmal werden Imipramin und SSRI kombiniert, aber nur unter strenger ärztlicher Kontrolle. Die SSRI können den Imipramin-Spiegel erhöhen und zu mehr Nebenwirkungen führen. EKG-Kontrollen sind dann besonders wichtig.

Hilft Imipramin bei chronischen Schmerzen?

Ja, Imipramin ist wirksam bei neuropathischen Schmerzen, Fibromyalgie und zur Migräneprophylaxe. Die schmerzlindernde Wirkung tritt oft schon bei niedrigeren Dosen ein (50-100 mg) als bei Depression.

Warum muss ich ein EKG machen?

Imipramin kann Herzrhythmusstörungen verursachen, besonders bei höheren Dosen oder vorbestehenden Herzproblemen. Das EKG zeigt, ob Ihr Herz die Behandlung verträgt und ob Veränderungen auftreten.

Was mache ich bei starker Mundtrockenheit?

Trinken Sie viel Wasser, lutschen Sie zuckerfreie Bonbons, und verwenden Sie bei Bedarf Speichelersatzprodukte. Die Mundtrockenheit lässt oft nach einigen Wochen nach, bleibt aber häufig bestehen. Gute Mundhygiene ist wichtig.

Kann ich Imipramin dauerhaft einnehmen?

Ja, Imipramin kann bei Bedarf über Jahre eingenommen werden. Wichtig sind regelmäßige ärztliche Kontrollen, besonders EKG und Blutdruck. Es gibt keine bekannten Langzeitschäden bei korrekter Anwendung.

Zusammenfassung

Imipramin ist ein bewährtes trizyklisches Antidepressivum mit starker Wirkung bei schweren Depressionen, chronischen Schmerzen und Panikstörungen. Trotz der vielen Nebenwirkungen hat es seinen festen Platz in der Therapie therapieresistenter Depressionen.

Wichtigste Punkte:

💡 Wichtigster Rat

Imipramin ist ein sehr wirksames, aber auch anspruchsvolles Medikament. Die Behandlung erfordert Geduld, regelmäßige ärztliche Kontrollen (besonders EKG) und eine enge Zusammenarbeit mit Ihrem Arzt. Lassen Sie sich nicht von den Nebenwirkungen entmutigen – viele lassen mit der Zeit nach. Bei richtiger Anwendung kann Imipramin Leben verändern, besonders wenn moderne Antidepressiva nicht geholfen haben. Bei Suizidgedanken sollte wegen der gefährlichen Überdosierung besondere Vorsicht gelten.