Was sind SSRI und SNRI?
SSRI - Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
SSRI sind Antidepressiva, die gezielt die Wiederaufnahme des Botenstoffs Serotonin in die Nervenzellen hemmen. Dadurch erhöht sich die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt zwischen den Nervenzellen, was zu einer verbesserten Signalübertragung führt. Serotonin spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation von Stimmung, Angst, Schlaf und Appetit.
Die "Selektivität" dieser Medikamente bezieht sich darauf, dass sie hauptsächlich auf das Serotoninsystem wirken und andere Neurotransmittersysteme weitgehend unberührt lassen. Dies führt zu weniger Nebenwirkungen im Vergleich zu älteren trizyklischen Antidepressiva.
SNRI - Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
SNRI wirken ähnlich wie SSRI, hemmen jedoch zusätzlich auch die Wiederaufnahme von Noradrenalin. Noradrenalin ist ein weiterer wichtiger Botenstoff, der an der Regulation von Stimmung, Energie und Konzentration beteiligt ist. Durch die doppelte Wirkung auf beide Neurotransmittersysteme können SNRI bei manchen Patienten effektiver sein, insbesondere bei schweren Depressionen oder wenn SSRI allein nicht ausreichend wirken.
💡 Wirkungseintritt und Geduld
Ein wichtiger Aspekt bei der Behandlung mit SSRI und SNRI ist der verzögerte Wirkungseintritt. Die volle antidepressive Wirkung entwickelt sich erst nach zwei bis sechs Wochen regelmäßiger Einnahme. In den ersten Tagen können zunächst Nebenwirkungen auftreten, während die gewünschte Wirkung noch auf sich warten lässt.
Wichtig: Brechen Sie die Behandlung nicht vorzeitig ab! Geben Sie dem Medikament Zeit zu wirken und sprechen Sie mit Ihrem Arzt, wenn Sie Bedenken haben.
Die wichtigsten SSRI im Überblick
Cipralex (Escitalopram)
Das S-Enantiomer von Citalopram
Cipralex gilt als eines der wirksamsten und verträglichsten SSRI. Es wird oft als Mittel der ersten Wahl bei Depressionen und verschiedenen Angststörungen eingesetzt.
Sertralin
Vielseitig einsetzbares SSRI
Sertralin ist ein sehr häufig verschriebenes SSRI mit breitem Anwendungsspektrum. Es hat eine gute Wirksamkeit bei verschiedenen psychischen Erkrankungen und wird auch bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt.
Citalopram
Bewährtes SSRI seit 1989
Citalopram ist das Razemat, aus dem Escitalopram entwickelt wurde. Es ist gut erforscht und hat sich über Jahrzehnte bewährt. Die Wirksamkeit ist leicht geringer als bei Escitalopram.
Fluoxetin (Prozac)
Das erste SSRI auf dem Markt
Fluoxetin war das erste SSRI überhaupt und revolutionierte die Depressionsbehandlung. Es hat eine sehr lange Halbwertszeit, was Vor- und Nachteile mit sich bringt.
Paroxetin
Potentes SSRI mit sedierender Komponente
Paroxetin ist ein stark wirksames SSRI, das besonders bei Angststörungen eingesetzt wird. Es hat leicht sedierende Eigenschaften und kann bei Schlafstörungen hilfreich sein.
Fluvoxamin
Spezialist für Zwangsstörungen
Fluvoxamin wird in Deutschland seltener verschrieben, ist aber besonders wirksam bei Zwangsstörungen. Es hat ein spezifisches Wirkprofil.
Die wichtigsten SNRI im Überblick
Venlafaxin
Duales Wirkprinzip SSRI + NRI
Venlafaxin ist das am häufigsten verschriebene SNRI. Bei niedrigen Dosen wirkt es hauptsächlich auf Serotonin, bei höheren Dosen auch auf Noradrenalin. Besonders wirksam bei schweren Depressionen.
Duloxetin
SNRI mit zusätzlicher Schmerzwirkung
Duloxetin wirkt ausgewogen auf Serotonin und Noradrenalin und ist zusätzlich zur Behandlung chronischer Schmerzen zugelassen. Ideal bei Depression mit Schmerzsymptomatik.
Trevilor (Venlafaxin retard)
Retardform von Venlafaxin
Trevilor ist eine Retardformulierung von Venlafaxin, die den Wirkstoff verzögert freisetzt. Dies führt zu gleichmäßigeren Wirkstoffspiegeln und besserer Verträglichkeit.
Vergleich: SSRI vs. SNRI
| Eigenschaft | SSRI | SNRI |
|---|---|---|
| Wirkmechanismus | Hemmen nur Serotonin-Wiederaufnahme | Hemmen Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme |
| Wirksamkeit bei Depression | Gut bei leichten bis mittelschweren Depressionen | Besonders wirksam bei schweren Depressionen |
| Häufige Nebenwirkungen | Übelkeit, sexuelle Dysfunktion, Schlafstörungen | Übelkeit, Blutdruckanstieg, Schwitzen, sexuelle Dysfunktion |
| Verträglichkeit | Generell gut verträglich | Gut verträglich, Blutdruck sollte überwacht werden |
| Typische Anwendung | Erste Wahl bei Depression und Angststörungen | Bei unzureichendem Ansprechen auf SSRI oder schweren Depressionen |
| Absetzsymptome | Möglich, besonders bei kurzer Halbwertszeit | Häufiger und ausgeprägter als bei SSRI |
Anwendungsgebiete
Depression
SSRI und SNRI sind die Mittel der ersten Wahl bei der medikamentösen Behandlung von Depressionen. Sie helfen, die typischen Symptome wie gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, Interessenverlust und negative Gedankenmuster zu lindern. Die Wirkung setzt nach zwei bis vier Wochen ein.
Angststörungen
Viele SSRI sind zur Behandlung verschiedener Angststörungen zugelassen, darunter generalisierte Angststörung, Panikstörung, soziale Phobie und spezifische Phobien. Die angstlösende Wirkung tritt oft etwas später ein als die antidepressive Wirkung.
Zwangsstörungen
Bei Zwangsstörungen werden häufig höhere Dosierungen von SSRI benötigt als bei Depressionen. Fluoxetin, Fluvoxamin und Sertralin sind besonders wirksam bei Zwängen.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Sertralin und Paroxetin sind zur Behandlung von PTBS zugelassen. Sie können helfen, Flashbacks, Albträume und die emotionale Belastung zu reduzieren.
Chronische Schmerzen
Insbesondere SNRI wie Duloxetin werden auch bei chronischen Schmerzerkrankungen eingesetzt, da sie die Schmerzwahrnehmung im Gehirn modulieren können.
Nebenwirkungen und Verträglichkeit
⚠️ Häufige Nebenwirkungen zu Behandlungsbeginn
In den ersten Tagen und Wochen der Behandlung können folgende Nebenwirkungen auftreten:
- Übelkeit und Magen-Darm-Beschwerden - oft das häufigste Problem, klingt meist nach 1-2 Wochen ab
- Kopfschmerzen - in der Anfangsphase möglich
- Innere Unruhe oder Nervosität - besonders zu Beginn
- Schlafstörungen - sowohl Schlaflosigkeit als auch vermehrte Müdigkeit möglich
- Schwitzen - kann während der gesamten Behandlung bestehen bleiben
Wichtig: Die meisten Nebenwirkungen sind vorübergehend und lassen nach einigen Wochen nach. Brechen Sie die Behandlung nicht eigenständig ab!
Sexuelle Funktionsstörungen
Eine der häufigsten und belastendsten Nebenwirkungen von SSRI und SNRI sind sexuelle Funktionsstörungen. Diese können sich äußern als vermindertes sexuelles Verlangen, Erektionsstörungen oder Orgasmusstörungen. Bei bis zu 70 Prozent der Patienten treten diese Nebenwirkungen auf. Sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt darüber - es gibt Lösungsmöglichkeiten wie Dosisanpassung oder Wechsel des Medikaments.
Gewichtsveränderungen
SSRI können zu Gewichtszunahme führen, besonders bei Langzeitbehandlung. Paroxetin und Citalopram sind häufiger mit Gewichtszunahme assoziiert als andere SSRI. Eine gesunde Ernährung und Bewegung können dem entgegenwirken.
Blutungsrisiko
SSRI und SNRI können die Blutgerinnung beeinflussen und das Blutungsrisiko leicht erhöhen. Bei gleichzeitiger Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten ist besondere Vorsicht geboten.
Wichtige Hinweise zur Einnahme
✓ Tipps für eine erfolgreiche Behandlung
- Regelmäßige Einnahme: Nehmen Sie das Medikament jeden Tag zur gleichen Zeit ein, auch wenn Sie sich besser fühlen
- Geduld haben: Die volle Wirkung entwickelt sich erst nach mehreren Wochen
- Nicht abrupt absetzen: Das Medikament muss langsam ausgeschlichen werden, um Absetzerscheinungen zu vermeiden
- Offene Kommunikation: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über alle Nebenwirkungen und Bedenken
- Therapiebegleitung: Kombinieren Sie die Medikation idealerweise mit Psychotherapie für beste Ergebnisse
Absetzen von SSRI und SNRI
Das Absetzen von SSRI und SNRI muss immer schrittweise und unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Bei abruptem Absetzen können unangenehme Absetzerscheinungen auftreten, auch bekannt als SSRI-Diskontinuationssyndrom. Diese umfassen:
- Schwindel und Gleichgewichtsstörungen
- Grippe-ähnliche Symptome
- Schlafstörungen und lebhafte Träume
- Elektroschock-ähnliche Empfindungen im Kopf
- Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit
- Übelkeit und Kopfschmerzen
Die Absetzerscheinungen sind bei SNRI oft ausgeprägter als bei SSRI. Medikamente mit kurzer Halbwertszeit wie Paroxetin oder Venlafaxin zeigen häufiger Absetzprobleme als solche mit langer Halbwertszeit wie Fluoxetin.
💡 Empfohlenes Ausschleichen
Die Dosisreduktion sollte über mehrere Wochen bis Monate erfolgen. Ihr Arzt wird einen individuellen Plan erstellen, der Ihre Behandlungsdauer, Dosis und persönliche Situation berücksichtigt. Typischerweise wird die Dosis alle ein bis zwei Wochen um 10-25 Prozent reduziert.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
SSRI und SNRI können mit verschiedenen anderen Medikamenten interagieren. Besonders wichtig sind folgende Wechselwirkungen:
Serotoninsyndrom
Die gleichzeitige Einnahme mehrerer serotonerger Medikamente kann zu einem potenziell lebensbedrohlichen Serotoninsyndrom führen. Symptome sind Unruhe, Verwirrtheit, Muskelzittern, Schwitzen und Fieber. Kritisch ist die Kombination mit:
- MAO-Hemmern (mindestens 14 Tage Abstand erforderlich)
- Anderen Antidepressiva
- Triptanen (Migränemittel)
- Tramadol und anderen Opioiden
- Johanniskraut
Weitere wichtige Wechselwirkungen
- Blutverdünner: Erhöhtes Blutungsrisiko bei Kombination mit Aspirin, Ibuprofen oder Marcumar
- Antiepileptika: Können die Wirkung von SSRI/SNRI beeinflussen
- Tamoxifen: Einige SSRI (besonders Paroxetin) können die Wirkung dieses Brustkrebsmedikaments verringern
⚠️ Wichtiger Hinweis
Informieren Sie jeden behandelnden Arzt und Apotheker über alle Medikamente, die Sie einnehmen, einschließlich rezeptfreier Präparate und Nahrungsergänzungsmittel. Dies gilt besonders vor Operationen oder neuen Verschreibungen.
💡 Wichtiger Haftungsausschluss
Dieser Artikel dient ausschließlich der Information und ersetzt nicht die professionelle Beratung durch einen Arzt oder Apotheker. Bei gesundheitlichen Beschwerden konsultieren Sie bitte einen Arzt. Nehmen Sie Medikamente nur nach Rücksprache mit einem Arzt ein und beachten Sie die Packungsbeilage.