🎯 ADHS-Medikamente (Stimulanzien)
Medikamente zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Sie verbessern Konzentration, Aufmerksamkeit und Impulskontrolle.
Was ist ADHS?
Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet ist. ADHS beginnt typischerweise in der Kindheit und kann bis ins Erwachsenenalter fortbestehen. In Deutschland sind etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen sowie zwei bis drei Prozent der Erwachsenen betroffen.
Wirkmechanismus von ADHS-Medikamenten
Stimulanzien wie Methylphenidat und Amphetamine erhöhen die Konzentration der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin im synaptischen Spalt. Bei Menschen mit ADHS ist die Regulation dieser Botenstoffe gestört, was zu den typischen Symptomen führt. Durch die medikamentöse Behandlung wird das neurochemische Gleichgewicht wiederhergestellt.
ADHS-Medikamente im Überblick
Ritalin (Methylphenidat)
Das bekannteste ADHS-Medikament
Ritalin ist der Markenname für Methylphenidat und das am häufigsten verschriebene ADHS-Medikament weltweit. Es verbessert die Konzentration und reduziert Hyperaktivität und Impulsivität. Die unretardierte Form wirkt 3-4 Stunden.
Wirkdauer: 3-4 Stunden (unretardiert)
Wirkeintritt: 30-45 Minuten
Methylphenidat
Wirkstoffname und Generikum von Ritalin
Methylphenidat ist der Wirkstoffname und als Generikum von verschiedenen Herstellern erhältlich. Die Wirkung ist identisch mit Ritalin, aber oft günstiger. Verfügbar in verschiedenen Retardformulierungen.
Verfügbare Formen: Unretardiert, Retard (8-12h), LA (bis 12h)
Medikinet / Medikinet retard
Retardiertes Methylphenidat
Medikinet retard ist eine Retardformulierung von Methylphenidat mit verzögerter Wirkstofffreisetzung. Die Wirkung hält 8 Stunden an, was eine einmalige morgendliche Einnahme ermöglicht und den Schulalltag erleichtert.
Wirkdauer: 8 Stunden
Vorteil: Einmalige Einnahme am Morgen
Concerta
Lang wirkendes Methylphenidat
Concerta ist eine spezielle Retardformulierung, die durch ein osmotisches System den Wirkstoff über 12 Stunden kontinuierlich freisetzt. Dies ermöglicht eine gleichmäßige Wirkung über den gesamten Tag.
Wirkdauer: 10-12 Stunden
Vorteil: Gleichmäßige Wirkung den ganzen Tag
Elvanse (Lisdexamfetamin)
Amphetamin-Prodrug
Elvanse ist ein Prodrug von Dexamphetamin und wirkt ähnlich wie Methylphenidat, aber über einen anderen Mechanismus. Es wird erst im Körper in die aktive Form umgewandelt, was zu einer gleichmäßigen und langen Wirkung führt. Gilt als weniger missbrauchsanfällig.
Wirkdauer: 12-14 Stunden
Wirkeintritt: 1-2 Stunden
Attentin (Dexamfetamin)
Reines Dexamphetamin
Attentin enthält Dexamphetamin, das wirksamere Enantiomer von Amphetamin. Es wird eingesetzt, wenn Methylphenidat nicht ausreichend wirkt oder nicht vertragen wird. Die Wirkung ist oft stärker als bei Methylphenidat.
Wirkdauer: 4-6 Stunden (unretardiert)
Wirkeintritt: 30-60 Minuten
Strattera (Atomoxetin)
Nicht-stimulierendes ADHS-Medikament
Atomoxetin ist kein Stimulans, sondern ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es wird eingesetzt, wenn Stimulanzien nicht vertragen werden oder kontraindiziert sind. Die Wirkung setzt verzögert ein (4-6 Wochen) und ist insgesamt schwächer.
Wirkdauer: 24 Stunden
Besonderheit: Kein Betäubungsmittel, keine Abhängigkeit
Intuniv (Guanfacin)
Alpha-2A-Agonist
Guanfacin ist ein nicht-stimulierendes ADHS-Medikament, das über Alpha-2A-Rezeptoren wirkt. Es wird oft als Zusatzmedikation zu Stimulanzien eingesetzt und kann besonders bei emotionaler Dysregulation und Aggressivität hilfreich sein.
Wirkdauer: 24 Stunden
Besonderheit: Auch bei Tic-Störungen wirksam
Wichtige Hinweise zu ADHS-Medikamenten
⚠️ Missbrauchspotenzial und Betäubungsmittel
Methylphenidat und Amphetamine sind Betäubungsmittel! Sie unterliegen strengen gesetzlichen Regelungen:
- Verschreibung nur auf Betäubungsmittelrezept
- Rezepte nur 7 Tage gültig
- Regelmäßige ärztliche Kontrollen vorgeschrieben
- Missbrauch und Weitergabe sind strafbar
Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zur ADHS-Behandlung besteht kein relevantes Abhängigkeitsrisiko. Missbrauch zu Leistungssteigerung oder Rauschzwecken kann jedoch zur Abhängigkeit führen.
Nebenwirkungen von Stimulanzien
Häufige Nebenwirkungen von Methylphenidat und Amphetaminen:
- Appetitminderung und Gewichtsverlust: Besonders bei Kindern problematisch
- Schlafstörungen: Einnahme sollte nicht zu spät erfolgen
- Kopfschmerzen und Bauchschmerzen: Besonders zu Behandlungsbeginn
- Nervosität und Reizbarkeit: Vor allem bei zu hoher Dosierung
- Erhöhter Blutdruck und Herzfrequenz: Regelmäßige Kontrollen notwendig
- Wachstumsverzögerung: Bei Langzeitbehandlung von Kindern (meist vorübergehend)
- Tics: Können auftreten oder sich verschlimmern
💡 ADHS-Behandlung: Mehr als nur Medikamente
Die optimale ADHS-Behandlung ist multimodal und umfasst:
- Medikamentöse Behandlung: Kernelement bei mittelschwerer bis schwerer ADHS
- Psychotherapie: Verhaltenstherapie, Coaching
- Psychoedukation: Aufklärung über ADHS
- Elterntraining: Bei Kindern und Jugendlichen
- Strukturierungshilfen: Alltags- und Zeitmanagement
- Schulische Unterstützung: Nachteilsausgleich, angepasste Lernumgebung
⚖️ Stimmungsstabilisierer
Medikamente zur Behandlung bipolarer Störungen. Sie stabilisieren die Stimmung und beugen manischen und depressiven Episoden vor.
Was sind Stimmungsstabilisierer?
Stimmungsstabilisierer (auch Phasenprophylaktika genannt) sind Medikamente, die extreme Stimmungsschwankungen bei bipolaren Störungen verhindern oder abschwächen. Sie wirken sowohl gegen Manien (übermäßig gehobene Stimmung, Größenwahn, vermindertes Schlafbedürfnis) als auch gegen Depressionen und werden zur Langzeitbehandlung eingesetzt.
Lithium - Der klassische Stimmungsstabilisierer
Wirkmechanismus von Lithium
Der genaue Wirkmechanismus von Lithium ist nicht vollständig geklärt. Es beeinflusst verschiedene Neurotransmittersysteme und zelluläre Signalwege. Lithium stabilisiert neuronale Membranen, beeinflusst die Genexpression und hat neuroprotektive Eigenschaften.
Wichtige Hinweise zur Lithium-Therapie
⚠️ Lithium: Besondere Vorsicht erforderlich
Lithium hat eine sehr enge therapeutische Breite. Das bedeutet, der Unterschied zwischen wirksamer Dosis und toxischer Dosis ist gering.
Regelmäßige Kontrollen sind Pflicht:
- Lithiumspiegel im Blut: Zu Beginn wöchentlich, später alle 3 Monate
- Nierenfunktion: Kreatinin, GFR alle 6-12 Monate
- Schilddrüsenfunktion: TSH alle 6-12 Monate
- Kalzium: Alle 12 Monate
- EKG: Vor Behandlungsbeginn und bei Bedarf
Nebenwirkungen von Lithium
Lithium kann verschiedene Nebenwirkungen verursachen:
Häufige Nebenwirkungen
- Durst und vermehrtes Wasserlassen: Sehr häufig, kann zu Nierenfunktionsstörungen führen
- Gewichtszunahme: Bei etwa einem Drittel der Patienten
- Feinschlägiger Tremor: Zittern der Hände
- Müdigkeit und Konzentrationsstörungen: Besonders zu Behandlungsbeginn
- Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Durchfall
- Schilddrüsenunterfunktion: Bei 5-35% der Patienten
- Akne oder Psoriasis: Verschlechterung von Hautproblemen
Zeichen einer Lithiumintoxikation
Bei zu hohem Lithiumspiegel (>1,5 mmol/L) können auftreten:
- Grobschlägiger Tremor
- Schwindel und Gangstörungen
- Starke Übelkeit und Erbrechen
- Durchfall
- Verschwommenes Sehen
- Verwirrtheit
- Krampfanfälle (bei schwerer Intoxikation)
Bei Verdacht auf Lithiumintoxikation sofort zum Arzt oder in die Notaufnahme!
Weitere Stimmungsstabilisierer
Lamotrigin (Lamictal)
Antiepileptikum und Stimmungsstabilisierer
Lamotrigin ist besonders wirksam zur Vorbeugung depressiver Episoden bei bipolarer Störung. Es hat weniger Nebenwirkungen als Lithium, aber eine geringere antimanische Wirkung. Die Dosierung muss sehr langsam gesteigert werden wegen des Risikos schwerer Hautreaktionen.
Vorteil: Gut verträglich, keine Gewichtszunahme
Risiko: Stevens-Johnson-Syndrom bei zu schneller Aufdosierung
Valproat (Valproinsäure)
Antiepileptikum und Stimmungsstabilisierer
Valproat wirkt gut gegen Manien und zur Prophylaxe bipolarer Störungen. Es hat ein breites Wirkspektrum, aber auch mehr Nebenwirkungen als andere Stimmungsstabilisierer. Bei Frauen im gebärfähigen Alter nur mit strenger Indikation wegen Teratogenität.
Nebenwirkungen: Gewichtszunahme, Haarausfall, Leberwerterhöhung
Kontraindikation: Schwangerschaft (teratogen!)
Carbamazepin (Tegretal)
Antiepileptikum und Stimmungsstabilisierer
Carbamazepin ist wirksam bei bipolaren Störungen, wird aber seltener eingesetzt als andere Stimmungsstabilisierer wegen vieler Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Nebenwirkungen. Regelmäßige Blutbildkontrollen sind notwendig.
Problem: Viele Arzneimittelwechselwirkungen
Kontrollen: Blutbild wegen Risiko von Blutbildveränderungen
💊 Schmerzmittel mit psychotroper Wirkung
Einige Schmerzmittel, insbesondere Opioide, haben Auswirkungen auf Psyche und Verhalten und werden manchmal missbräuchlich verwendet.
Tramadol - Schwaches Opioid
Wichtige Hinweise zu Tramadol
⚠️ Tramadol: Abhängigkeitsrisiko
Obwohl Tramadol als "schwaches" Opioid gilt, hat es ein nicht zu unterschätzendes Abhängigkeitspotenzial. In den letzten Jahren haben Fälle von Tramadol-Missbrauch zugenommen.
- Nicht länger als nötig einnehmen
- Nicht eigenmächtig Dosis erhöhen
- Vorsicht bei Menschen mit Suchterkrankungen in der Vorgeschichte
- Nicht mit Alkohol kombinieren
- Vorsicht bei Kombination mit Antidepressiva (Serotoninsyndrom-Risiko)
Nebenwirkungen von Tramadol
- Übelkeit und Erbrechen: Sehr häufig, besonders zu Beginn
- Schwindel und Benommenheit: Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit
- Verstopfung: Typische Opioid-Nebenwirkung
- Kopfschmerzen
- Schwitzen
- Krampfanfälle: Bei hohen Dosen oder prädisponierten Personen
- Serotoninsyndrom: Bei Kombination mit serotonergen Medikamenten
Weitere wichtige Medikamente
Gabapentin (Neurontin)
Antiepileptikum mit anxiolytischer Wirkung
Gabapentin wird bei neuropathischen Schmerzen und Epilepsie eingesetzt, zeigt aber auch angstlösende Eigenschaften. Off-Label wird es manchmal bei Angststörungen verwendet. Es hat im Gegensatz zu Benzodiazepinen kein Abhängigkeitspotenzial im klassischen Sinne, wird aber zunehmend missbräuchlich verwendet.
Vorteil: Keine Abhängigkeit wie bei Benzodiazepinen
Problem: Zunehmender Missbrauch
Pregabalin (Lyrica)
Antiepileptikum bei Angst und Schmerz
Pregabalin ist strukturell mit Gabapentin verwandt und zur Behandlung der generalisierten Angststörung zugelassen. Es wirkt schneller angstlösend als Antidepressiva, hat aber ein Missbrauchspotenzial und kann abhängig machen.
Vorteil: Schneller Wirkungseintritt
Risiko: Missbrauchspotenzial, seit 2019 unter Betäubungsmittelgesetz
Buspiron
Nicht-abhängig machendes Anxiolytikum
Buspiron ist ein Anxiolytikum ohne Abhängigkeitspotenzial. Es wirkt über Serotonin-Rezeptoren und wird bei generalisierter Angststörung eingesetzt. Der Nachteil ist der verzögerte Wirkungseintritt (2-4 Wochen) und die geringere Wirksamkeit im Vergleich zu Benzodiazepinen.
Vorteil: Keine Abhängigkeit, keine Sedierung
Nachteil: Verzögerter Wirkungseintritt, oft nur mäßig wirksam
Modafinil (Vigil)
Wachmacher bei Narkolepsie
Modafinil fördert Wachheit und wird bei Narkolepsie und Schichtarbeiterschlafstörung eingesetzt. Off-Label wird es als "Neuroenhancer" zur kognitiven Leistungssteigerung missbraucht. Es unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz.
Missbrauch: Als "Smart Drug" zur Leistungssteigerung
Status: Betäubungsmittel
Baclofen
Muskelrelaxans und Alkoholismus-Behandlung
Baclofen ist ein Muskelrelaxans, das in hohen Dosen auch zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit eingesetzt wird (off-label). Es reduziert das Verlangen nach Alkohol über GABA-B-Rezeptoren.
Besonderheit: Experimentelle Therapie bei Sucht
Nebenwirkungen: Müdigkeit, Schwindel
Disulfiram (Antabus)
Alkohol-Aversionstherapie
Disulfiram blockiert den Abbau von Alkohol, was bei Alkoholkonsum zu sehr unangenehmen Symptomen führt (Flush, Übelkeit, Herzrasen). Es wird zur Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit eingesetzt, wenn der Patient hochmotiviert ist.
Mechanismus: Abschreckung durch unangenehme Reaktion bei Alkoholkonsum
Wichtig: Absolutes Alkoholverbot
💡 Wichtiger Haftungsausschluss
Dieser Artikel dient ausschließlich der Information und ersetzt nicht die professionelle Beratung durch einen Arzt oder Apotheker. Bei gesundheitlichen Beschwerden konsultieren Sie bitte einen Arzt. Nehmen Sie Medikamente nur nach Rücksprache mit einem Arzt ein und beachten Sie die Packungsbeilage.
Bei akuten Krisen: Telefonseelsorge 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (24h, kostenlos)